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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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ohne weiteres an diesen Pfosten gebunden werden können und wäre dank der überhängenden Steilküste und der Geröllhalden weder von oben noch von der Seite her zu sehen gewesen.
    Das war eine durchaus erfreuliche Entdeckung, aber sie wäre erfreulicher gewesen, wenn Ormond auch noch ein positives Anzeichen dafür gefunden hätte, daß die Dinge sich wirklich so zugetragen hatten. Der Sand war so locker und trocken, daß oberhalb der Hochwassermarke keine erkennbaren Spuren zu erwarten waren, und obwohl er den Pfahl sehr sorgfältig mit einer Lupe absuchte, konnte er keinen Hinweis darauf entdecken, daß er zum Anpflocken benutzt worden war. Ein Stückchen Seilfaser oder ein Pferdehaar wäre Ormond in diesem Augenblick lieber gewesen als ein Geldschein, und ein paar Pferdeäpfel gar wären ihr Gewicht in Rubinen wert gewesen. Aber keiner dieser einfachen, anheimelnden Anblicke belohnte sein suchendes Auge. Da war nur ein Stück Holz, und da war ferner die Nische in der Steilküste, und mehr war da nicht.
    Kopfschüttelnd ging er ans Wasser hinunter und kehrte im flotten Trab zum Bügeleisen zurück. Er stellte dabei fest, daß er, wenn er sich so beeilte, wie ein etwas übergewichtiger junger Konstabler in voller Montur sich an einem heißen Sommertag beeilen kann, den Felsen in genau zwölf Minuten erreichte. Das war zuviel. Fünf Fußminuten waren nach Wimseys Rechnung das äußerste, was Weldon sich hätte gestatten dürfen. Ormond kletterte wieder die Steilküste hinauf, stieg auf sein Gefährt und stellte im Kopf ein paar Berechnungen an.
    Bis er wieder auf dem Revier war, hatten diese Berechnungen eine konkrete Form angenommen.
    »Ich sehe das so, Sir«, sagte er zu Polizeidirektor Glaisher. »Wir sind bisher immer davon ausgegangen, daß Perkins als Alibi für Weldon herhalten mußte. Nehmen wir aber einmal an, es war umgekehrt. Nehmen wir an, Weldon lieferte ein Alibi für Perkins. Was wissen wir über Perkins? Nur daß er Lehrer ist und seit Mai niemand genau weiß, wo er sich herumtreibt. Nun erzählt er uns, er hat in Wilvercombe übernachtet und ist erst gegen eins da aufgebrochen. Das ist schon einmal schwer zu schlucken. Als einzigen Beweis dafür bietet er uns an, daß er sich in einer Apotheke irgendwas gekauft haben will – in welcher Apotheke, weiß er nicht mehr, und die Zeit kann er auch nicht genau angeben. Nun war Weldon an dem Morgen in Wilvercombe, und von ihm wissen wir auch nicht, was er die ganze Zeit gemacht hat. Angenommen, die beiden haben sich getroffen und alles verabredet. Dann kommt Perkins nach Darley und nimmt das Pferd.«
    »Wir müssen feststellen, ob ihn jemand durchs Dorf hat gehen sehen.«
    »Genau, Sir. Das müssen wir natürlich prüfen. Aber angenommen, er war in Wirklichkeit schon gegen Viertel nach eins hier, dann hätte er mehr als genug Zeit gehabt, mit dem Pferd loszuziehen, es an diesen Pfahl zu binden, zu Fuß zum Felsen zu laufen und den Mord zu begehen.«
    »Einen Augenblick«, sagte Glaisher. »Diese Stelle ist fünfzehn Minuten vom Bügeleisen entfernt, wenn man schnell geht.«
    »Man muß schon eher laufen, Sir.«
    »Ja, aber über nassen Sand; eigentlich sogar durchs Wasser. Sagen wir, es ist etwas über eine Meile? Gut. Dann bleiben dreieinhalb Meilen für das Pferd. Bei acht Meilen pro Stunde heißt das – acht Meilen in sechzig Minuten, eine Meile in sechzig durch acht –« Glaisher mußte solche Dreisatzaufgaben immer auf einer Ecke seiner Löschunterlage lösen; sie waren sein schwierigstes Hindernis auf dem Wege zur Beförderung gewesen – »dreißig mal sieben durch acht – o Gott! – geteilt durch zwei – mal – geteilt durch –«
    Ormond, der die glückliche Gabe hatte, drei Zahlenreihen gleichzeitig im Kopf addieren zu können, wartete respektvoll.
    »Ich komme auf sechsundzwanzig Minuten«, sagte Glaisher.
    »Ja, Sir.«
    »Das heißt also –«, Glaisher heftete den Blick auf die Uhr; seine Lippen bewegten sich. »Zwei Uhr minus fünfzehn Minuten – macht ein Uhr fünfundvierzig; minus sechsundzwanzig Minuten – macht ein Uhr neunzehn.«
    »Ja, Sir; und dann können wir ihm noch vier Minuten fürs Anbinden des Pferdes geben. Nach meiner Rechnung hätte er um ein Uhr fünfzehn in Darley starten müssen.«
    »Eben; ich wollte Ihre Rechnung ja nur nachprüfen. In diesem Falle hätte er ungefähr um zehn nach eins im Dorf sein müssen.«
    »Stimmt, Sir.«
    »Und wie und wann hat er das Pferd wieder abgeholt, Ormond?«
    »Gar nicht, Sir –

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