Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
loskommen von diesem ekelhaften Wort? Ich will keinen Dank. Ich will keine Freundlichkeit. Ich will keine Sentimentalität. Ich will nicht einmal Liebe – die könnte ich von Ihnen bekommen – in gewisser Weise. Ich will nichts als ganz normale Ehrlichkeit.«
»So? Die wollte ich auch immer. Ich glaube aber, sie ist nicht zu haben.«
»Hören Sie bitte, Harriet. Ich verstehe Sie ja. Ich weiß, daß Sie weder geben noch nehmen möchten. Sie haben versucht, die Gebende zu sein, und mußten erkennen, daß der Geber immer der Dumme ist. Und Sie wollen nicht die Nehmende sein, weil das sehr schwer ist, und weil Sie wissen, daß der Nehmer am Ende immer den Geber haßt. Sie wollen nie mehr Ihr Glück von jemand anderem abhängig machen.«
»Das ist allerdings wahr. Etwas Wahreres haben Sie noch nie gesagt.«
»Gut. Und das kann ich akzeptieren. Aber dann müssen Sie sich auch an die Spielregeln halten. Führen Sie keine emotionsgeladenen Situationen herbei, für die Sie mich dann verantwortlich machen.«
»Ich will überhaupt keine Situationen herbeiführen. Ich möchte nur in Frieden gelassen werden.«
»Oho, aber Sie sind gar kein friedlicher Mensch! Sie sorgen immer für Unruhe. Warum nicht gleich mit offenem Visier kämpfen und den Kampf genießen? Ich bin, wie Alan Breck, ein munterer Kämpe.«
»Und Sie glauben sich Ihres Sieges sicher.«
»Nicht mit gefesselten Händen.«
»Aber – na schön. Es klingt einfach alles so trist und anstrengend«, sagte Harriet und brach zu allem Überfluß in Tränen aus.
»Du meine Güte!« rief Wimsey entsetzt. »Harriet! Liebste! Engel! Bestie! Hexe! So etwas dürfen Sie nicht sagen!« Er warf sich reuig und betroffen auf die Knie. »Nennen Sie mich alles, was Sie wollen, aber nicht trist! Vergleichen Sie mich nicht mit einem englischen Club! Hier, nehmen Sie meins, es ist viel größer und noch ganz sauber. Sagen Sie, daß Sie es nicht so gemeint haben! Allmächtiger! Habe ich Sie etwa achtzehn Monate an einem Stück gelangweilt? Davor müßte jeder redlich denkenden Frau natürlich grausen. Ich weiß noch, wie Sie einmal gesagt haben, wenn mich je eine Frau heiraten sollte, dann nur, um mich an einem Stück blödeln zu hören, aber mit der Zeit verliert das wohl doch seinen Reiz. Ich lalle wie ein Schwachsinniger – ich weiß es. Aber was in aller Welt soll ich dagegen machen?«
»Esel! Mein Gott, das ist nicht fair. Immer bringen Sie mich zum Lachen. Ich kann mich nicht streiten – ich bin so müde. Sie wissen anscheinend nicht einmal, was es heißt, müde zu sein. Nicht! Hören Sie auf! Ich lasse mich nicht zwingen. Gott sei Dank, da klingelt das Telefon.«
»Zum Teufel mit dem Telefon!«
»Wahrscheinlich ist es etwas sehr, sehr Wichtiges.«
Sie stand auf und ging an den Apparat, und Wimsey blieb auf den Knien liegen und kam sich genauso albern vor, wie er aussah.
»Für Sie. Irgend jemand aus dem Bellevue wünscht Sie zu sprechen.«
»Da kann er lange wünschen.«
»Jemand hat sich auf den Artikel im Morning Star gemeldet.«
»Meine Güte!«
Wimsey war mit einem Satz auf der anderen Seite des Zimmers und riß den Hörer an sich.
»Sind Sie das, Wimsey? Hab mir doch gedacht, wo ich Sie antreffe. Hier ist Sally Hardy. Da ist einer gekommen, um sich die Belohnung zu holen. Beeilen Sie sich! Ohne Sie will er nicht heraus mit der Sprache, und ich muß an meinen Bericht denken. Er sitzt hier in Ihrem Zimmer.«
»Wie heißt er, und wo kommt er her?«
»Aus Seahampton. Sein Name ist Bright, sagt er.«
»Bright? Beim Zeus, ja! Ich bin gleich da. Haben Sie das gehört, Harriet? Dieser Bright ist aufgetaucht! Also, bis heute nachmittag halb vier.«
Er schoß aus dem Zimmer wie eine Katze, die den Ruf »Miez! Miez!« vernommen hat.
»Mein Gott, was bin ich für ein Idiot!« sagte Harriet. »Was für ein kompletter sabbernder Idiot! Und seit Mittwoch habe ich keinen Schlag mehr gearbeitet.«
Sie nahm sich das Manuskript zu Das Geheimnis des Füllfederhalters vor, schraubte von ihrem die Kappe ab und versank in untätiges Träumen.
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Das Zeugnis des dritten Barbiers
Für ihn nicht Blüht mein dunkler Nachtschatten, braut der Schierling Mord in seinen löcherigen Wurzeln.
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Das Zeugnis der Liebsten und der Wirtin
Du bist ein Meister dieser Liebesspiele Und hast ein Herz gleich Amors Pfeilekissen, Verschlissen vom Gebrauch.
DEATH’S JEST-BOOK
Was ist das? Sahst du nicht ein weißes Zucken Durch seine Wange gehn und seine Lider öffnen? Das Blatt
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