Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
die drei Haferkörner lenken, die ich hier gefunden habe«, sagte Wimsey, »ebenso auf das verkohlte Stückchen Seil aus der Asche. Bunter, haben Sie die Sachen bei sich?«
»Ja, Mylord.«
Bunter wühlte in den Tiefen des Wagens und brachte eine Tüte und ein Halfter zum Vorschein. Er übergab die Gegenstände Wimsey, der sofort die Tüte öffnete und daraus eine Handvoll Haferkörner in seinen Hut schüttete.
»So«, sagte er, »wir haben ein Halfter – jetzt brauchen wir nur noch das Pferd dazu. Gehen wir mal ein Stück am Strand entlang und suchen den Bach, von dem unser Freund Mr. Goodrich gesprochen hat.«
Der Bach war bald gefunden – ein kleines Süßwasserrinnsal, das etwa fünfzig Schritt vom Zeltplatz entfernt unter der Hecke hervorkam und zum Meer hinunterlief.
»Sinnlos, auf dieser Seite der Hecke nach Spuren zu suchen – ich nehme an, die Flut reicht ziemlich genau bis hierher, wo das Gras beginnt. Aber Moment mal. Jawohl, da haben wir’s! Hier, direkt am Bachrand, unmittelbar an der Hecke – ein wahres Prachtstück, mitsamt den Nagellöchern. Gut, daß der Regen von letzter Nacht den Abdruck nicht ausgewaschen hat, aber das Gras hängt darüber. Allerdings ist hier kein Loch in der Hecke. Er muß – aber ja, natürlich! Ja. Also, wenn wir richtig liegen, paßt der Abdruck nicht zu dem Eisen, das wir gefunden haben – es muß der andere Huf sein. Ja, es ist der linke Vorderhuf. Hier hat unser Pferd zum Trinken gestanden, und das bedeutet, daß es bei Ebbe hier frei herumgelaufen sein muß, denn Pferde lieben ihr Wasser nicht mit Salz. Der linke Vorderhuf war hier, dann muß der rechte etwa hier gestanden haben – da ist er ja! Sehen Sie! Der Abdruck eines nackten Hufs, ohne Hufeisen und nur leicht in den Boden gedrückt – das Tier lahmte natürlich, nachdem es barfuß drei Meilen weit über den steinigen Strand gerannt war. Aber wo ist das Loch in der Hecke? Gehen wir weiter, lieber Watson. Hier ist, wenn ich mich nicht irre, die Stelle. Zwei neue Pfosten eingeschlagen und ein bißchen abgestorbenes Dornengestrüpp dazwischengesteckt und mit Draht festgebunden. Ich muß Mr. Goodrich recht geben – Mr. Newcombe versteht sich nicht besonders auf das Reparieren von Hecken und Zäunen. Immerhin hat er gewisse Instandsetzungsmaßnahmen getroffen, so daß wir hoffen dürfen, unser Pferdchen auf der Wiese anzutreffen. Wir klettern hier die Böschung hinauf – wir blicken über die Hecke – eins, zwei, drei Pferde, beim Zeus!«
Wimsey ließ den Blick nachdenklich über die große Wiese schweifen. Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich ein dichtes kleines Gestrüpp, aus dem der kleine Bach heraustrat, bevor er sich gemächlich durchs grobe Gras der Wiese schlängelte.
»Sehen Sie mal, wie schön diese Bäume die Wiese vor der Straße und dem Dorf abschirmen. Ein schönes ruhiges Plätzchen, zum Pferdestehlen wie geschaffen. Wie unfreundlich von Mr. Newcombe, daß er das Loch verstopft hat. Aha! Was ist das, Watson?«
»Sagen Sie’s schon, ich glaube alles.«
»Da ist noch eine Lücke, ein paar Meter weiter, aber etwas fachmännischer repariert, mit Pfählen und Latten. Etwas Besseres könnte es nicht geben. Wir gehen darauf zu – wir klettern hinüber und sind auf der Wiese. Gestatten Sie – oh, Sie sind schon drüber! Gut. So, und auf welches Tier würden Sie nun Ihr Geld wetten?«
»Nicht auf das schwarze. Es sieht zu groß und schwer aus.«
»Nein, das schwarze ist es bestimmt nicht. Der Fuchs könnte es der Größe nach sein, aber der hat seine besten Tage gesehen und dürfte für unsere Zwecke kaum die Klasse haben. Aber die hübsche kleine Braune hat es meinem Auge angetan. Hoah – meine Schöne!« rief Wimsey, indem er behutsam über die Wiese ging und die Haferkörner in seinem Hut schüttelte. »Hoah, hoah!«
Harriet hatte sich schon oft gefragt, wie die Leute es fertigbrachten, Pferde auf großen Wiesen einzufangen. Es erschien ihr so dumm von den Tieren, sich einfangen zu lassen – und sie erinnerte sich sogar noch deutlich, wie sie einmal in einem ländlichen Pfarrhaus gewohnt hatte, wo »der Bursche« regelmäßig mindestens eine Stunde brauchte, das Pony einzufangen, mit der Folge, daß der Ponywagen oft genug nicht rechtzeitig zum Zug kam. Möglicherweise hatte »der Bursche« es nicht richtig angestellt, denn wie durch das gleiche Wunder, das die Kompaßnadel in Polrichtung dreht, kamen die Pferde alle drei friedlich über die Wiese getrottet, um ihre weichen
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