Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
serviert – ein mit Öl bereitetes, scharf gepfeffertes Eintopfgericht, das ihm schon so vertraut war, dazu der herbe rote Landwein.
    Seine Gastgeber unterhielten sich ganz freimütig mit ihm in ihrem seltsamen Baskisch, einer Sprache, die auf der Welt nicht ihresgleichen hat und von der manche sagen, es sei die Sprache, die unsere Ureltern im Paradies gesprochen hätten. Sie sprachen von dem schlimmen Winter und vom jungen Esteban Arramandy, der so kraftvoll und geschickt beim Pelotaspiel gewesen war, bis ein herabstürzender Felsbrocken ihn zum Krüppel schlug, so daß er jetzt auf zwei Krücken gehen mußte; von drei wertvollen Ziegen, die ein Bär gerissen hatte; von den Wolkenbrüchen, die nach einem trockenen Sommer die steinernen Gerippe der Berge freigeschwemmt hatten. Es regnete auch jetzt, und der Wind heulte ungemütlich dazu. Das bekümmerte Langley aber nicht; er kannte und liebte dieses von Gespenstern bewohnte, undurchdringliche Land zu jeder Zeit und Jahreszeit. Wie er hier in dieser schlichten Bauernherberge saß, dachte er an den eichengetäfelten Speisesaal seines Colleges in Cambridge und lächelte, und seine Augen funkelten glücklich hinter dem Gelehrtenkneifer. Er war trotz seiner Professur und der langen Reihe von Abkürzungen hinter seinem Namen noch ein junger Mann. Seine Universitätskollegen konnten nicht begreifen, daß dieser so korrekte, pedantische, so früh gereifte Mann seinen Urlaub damit verbrachte, Knoblauch zu essen und auf einem Maultier über lebensgefährliche Bergpfade zu kraxeln. Man würde es ihm nicht zutrauen, wenn man ihn sieht, sagten sie.
    Es klopfte.
    »Das ist Martha«, sagte die Wirtsfrau.
    Sie schob den Riegel zurück, und Wind und Regen fuhren herein, daß die Kerze flackerte. Eine kleine, betagte Frau wurde aus der Nacht hereingeweht; ihr graues Haar hing in Strähnen unter dem Kopftuch hervor.
    »Komm rein, Martha, und ruh dich aus. Eine schlimme Nacht. Das Päckchen liegt bereit – ja, ja. Dominique hat’s heute morgen aus der Stadt mitgebracht. Du mußt einen Becher Wein oder Milch trinken, bevor du wieder gehst.«
    Die alte Frau dankte und setzte sich keuchend hin. »Und wie geht’s zu Haus? Was macht der Doktor?« »Dem Doktor geht’s gut.«
    »Und ihr ?«
    Die Tochter hatte die Frage im Flüsterton gestellt, und
    der Wirt schüttelte stirnrunzelnd den Kopf in ihre Richtung.
    »Wie immer um diese Jahreszeit. Es ist nur noch ein Monat bis zum Tag der Toten. Jesus-Maria! So eine schwere Prüfung für den armen Herrn. Aber er ist so geduldig, so geduldig.«
    »Er ist ein guter Mensch«, sagte Dominique, »und ein tüchtiger Arzt, aber ein Übel wie das geht selbst über seine Kunst. Hast du gar keine Angst, Martha?«
    »Warum soll ich Angst haben? Der Böse kann mir nichts anhaben. Ich bin nicht schön, nicht klug und nicht stark, daß er neidisch auf mich sein könnte. Und die heilige Reliquie wird mich beschützen.«
    Ihre runzligen Finger berührten etwas unter ihrem Kleid.
    »Kommen Sie von dem Haus da drüben?« fragte Langley.
    Sie beäugte ihn argwöhnisch.
    »Der Señor ist nicht aus unserm Land?«
    »Der Señor ist unser Gast, Martha«, sagte der Wirt eilig.
    »Ein gelehrter Herr aus England. Er kennt unser Land und spricht unsere Sprache, wie du hörst. Er macht viele Reisen, genau wie dein Herr, der amerikanische Doktor.«
    »Wie heißt denn Ihr Herr?« fragte Langley. Ihm war der Gedanke gekommen, daß ein amerikanischer Arzt, der sich an diesen entlegenen Winkel der Erde verkroch, etwas Besonderes an sich haben mußte. Vielleicht war auch er Ethnologe. In dem Falle könnten Sie vielleicht einige Gemeinsamkeiten entdecken.
    »Er heißt Wetherall.« Sie mußte ihm den Namen mehrmals vorsprechen, bis er ihn richtig verstanden hatte.
    »Wetherall? Doch nicht Standish Wetherall?«
    Eine außerordentliche Erregung hatte ihn gepackt.
    Der Wirt kam ihm zu Hilfe.
    »Das Päckchen hier ist für ihn«, sagte er. »Da steht sicher sein Name drauf.«
    Es war ein kleines, säuberlich versiegeltes Päckchen mit dem Etikett einer Londoner Apotheke, adressiert an »Dr. med. Standish Wetherall.«
    »Großer Gott!« rief Langley. »Das ist aber eigenartig. Es grenzt an ein Wunder! Den Mann kenne ich. Seine Frau kenne ich auch –«
    Er unterbrach sich. Die Anwesenden bekreuzigten sich erneut.
    »Nun sagen Sie mir doch!« rief er, in seiner großen Erregung alle Vorsicht vergessend. »Sie sagen, seine Frau sei behext – leidend – aber wie denn das? Ist sie

Weitere Kostenlose Bücher