Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
›Ich weiß ja nicht, wer das ist und wie er hier reinkommt, aber er gehört hier jedenfalls nicht her.‹ Und Dick meint: ›Soll ich Jack Priest holen?‹ Und ich: ›Nein‹, sag ich, ›das ist hier Kirchengrund, wir sagen besser dem Herrn Pfarrer Bescheid.‹ Und das haben wir dann gemacht.«
»Und ich«, mischte sich der Pfarrer ein, »habe gesagt, daß wir sofort nach Ihnen und Dr. Baines schicken sollten – ah, ich sehe, da kommt er schon.«
Dr. Baines, ein gebieterisch aussehender kleiner Mann mit schlauem Schottengesicht, nahte forschen Schrittes.
»Guten Tag, Herr Pfarrer. Was ist denn hier los? Ich war gerade unterwegs, als Ihr Anruf kam, und da – Großer Gott!«
Nachdem er mit ein paar Worten ins Bild gesetzt war, kniete er neben dem Grab nieder.
»Er ist schrecklich entstellt – sieht so aus, als ob ihm jemand regelrecht das Gesicht eingeschlagen hätte. Wie lange war er da drin?«
»Das möchten wir ja von Ihnen wissen, Doktor.«
»Moment, Sir, Moment«, unterbrach der Polizist. »Harry, was hast du vorhin gesagt, wann du Lady Thorpe beerdigt hast?«
»Am vierten Januar war das«, sagte Mr. Gotobed nach kurzem Nachdenken.
»Und war diese Leiche hier im Grab, als du es zugeschaufelt hast?«
»Jetzt red doch bloß nicht solchen Quatsch, Jack Priest!« konterte Mr. Gotobed. »Wie kommst du denn bloß auf die Idee, daß wir ein Grab zuschaufeln würden mit so 'ner Leiche drin? So was schmeißt doch keiner aus Versehen da rein, ohne was zu merken. Wenn's ein Taschenmesser wäre oder 'n Penny, das wär was anderes, aber der Korpus eines ausgewachsenen Mannes – das ist ja 'ne ganz blöde Frage.«
»Halt, Harry, das ist keine richtige Antwort auf meine Frage.
Ich kenne meine Pflichten.«
»Also gut, in dem Grab hier war keine Leiche, wie ich es am 4. Januar zugeschaufelt hab – abgesehen von der Leiche Lady Thorpes, versteht sich. Die war drin, das kann ich nicht abstreiten, und soviel ich weiß, ist sie auch jetzt noch drin. Es sei denn, daß derselbe, der diesen Korpus hier hineingetan hat, den andern mitgenommen hat, mit Sarg und allem.«
»Nun«, sagte der Arzt, »die Leiche kann also nicht länger als drei Monate hier gelegen haben, und soweit ich es beurteilen kann, hat sie auch nicht viel kürzer hier gelegen. Aber das kann ich besser sagen, wenn wir sie draußen haben.«
»Drei Monate, wie?« Mr. Hezekiah Lavender hatte sich endlich nach vorne durchgedrängt. »Das war dann ungefähr um die Zeit, wie der Fremde verschwunden ist – der bei Ezra Wilderspin gewohnt hat und Arbeit gesucht hat, als Automechaniker oder so. Der hatte auch 'nen Bart, wenn ich mich richtig erinnere.«
»Na klar, den hat er gehabt!« rief Mr. Gotobed. »Was du für ein Gedächtnis hast, Hezekiah! Der ist es, ganz sicher. Das muß man sich vorstellen! Ich hab mir immer gedacht, der Kerl führt nichts Gutes im Schilde. Aber wer kann denn nur darauf gekommen sein, so was hier zu tun?«
»Also«, sagte der Doktor, »wenn Jack Priest mit der Vernehmung fertig ist, könnt ihr ja die Leiche endlich ganz ausgraben. Wohin wollt ihr sie denn bringen? So schön ist sie ja nicht, daß man sie irgendwo herumliegen lassen kann.«
»Mr. Ashton hat 'nen Schuppen, der ist schön luftig, Sir. Wenn wir ihn fragen, stellt er seine Pflüge und den andern Kram bestimmt solange raus. Da ist auch 'n anständiges Fenster und 'ne Tür mit Vorhängeschloß drin.«
»Das wird's tun. Dick, du läufst mal zu Mr. Ashton und fragst ihn, und er soll uns auch einen Wagen und eine Trage leihen. Wie wär's, wenn wir den Untersuchungsrichter benach richtigten, Herr Pfarrer? Das ist Mr. Compline, drüben in Leamholt. Soll ich ihn anrufen, wenn ich nach Hause komme?«
»O ja, danke, danke. Da wäre ich Ihnen sehr verbunden.«
»Gut. Können wir jetzt weitermachen, Jack?«
Der Konstabler nickte zustimmend, und die Bergungsarbeiten gingen weiter. Inzwischen hatte sich fast das ganze Dorf auf dem Friedhof versammelt, und nur unter größten Schwierigkeiten waren die Kinder davon abzuhalten, das Grab zu stürmen, denn die Erwachsenen, die sie hätten zurückhalten sollen, balgten sich ihrerseits um die besten Plätze. Der Pfarrer schickte sich gerade an, sie mit den schärfsten Worten, deren er mächtig war, zurechtzuweisen, als Mr. Lavender sich ihm näherte.
»Verzeihung, Sir, aber sollte ich für dieses – äh – diesen Toten nicht die Tailor Paul läuten?«
»Die Tailor Paul läuten? Hm, also wirklich, Hezekiah, das wüßte ich
Weitere Kostenlose Bücher