Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
nicht zu sagen.«
»Wir müssen sie für jeden Christenmenschen läuten, der in der Gemeinde stirbt«, beharrte Mr. Lavender. »Das ist so vorgeschrieben. Und anscheinend muß er ja in dieser Gemeinde gestorben sein, denn warum sollte ihn einer sonst hier begraben?«
»Ganz recht, Hezekiah, ganz recht.«
»Aber ob er nun ein Christenmensch war, wer will das sagen?«
»Ich fürchte, da bin ich auch überfragt, Hezekiah.«
»Daß wir ein bißchen spät mit ihm dran sind«, fuhr der Alte fort, »das ist ja nun nicht unsere Schuld. Wir haben erst heute erfahren, daß er gestorben ist, da kann auch keiner verlangen, daß wir früher für ihn hätten läuten sollen. Aber ein Christenmensch – hm, tja! Das ist die große Frage.«
»Wollen wir sie im Zweifel zu seinen Gunsten entscheiden, Hezekiah. Läuten Sie auf jeden Fall die Glocke.«
Der Alte zog ein skeptisches Gesicht, und nach einer Weile sprach er den Arzt an.
»Wie alt?« wiederholte dieser und sah sich einigermaßen erstaunt um. »Also, das weiß ich nicht. Ist auch schwer zu sagen. Aber ich würde meinen, so zwischen vierzig und fünfzig. Warum wollen Sie das denn wissen? Wegen der Glocke? Ach so, ja. Na ja, einigen wir uns auf fünfzig.«
Und so verkündete Tailor Paul den Tod des geheimnisvollen Fremden mit neun Schlägen, weil er ein Mann war, fünfzig weiteren für sein Alter und noch einmal hundert halbminütigen Trauerschlägen, während Alf Donnington in der »Roten Kuh« und Tom Tebbutt in der »Weizengarbe« das Geschäft ihres Lebens machten und der Pfarrer einen Brief schrieb.
Zweiter Teil
Lord Peter wird in die Jagd gerufen
Das Jagen ist das erste, was man beim
Wechselläuten unbedingt verstehen muß.
Troyte: ON CHANGE-RINGING
»Mein lieber Lord Peter (schrieb der Pfarrer),
seit Ihrem überaus erfreulichen Besuch bei uns im Januar habe ich mich des öfteren etwas beschämt gefragt, was Sie nur von uns gedacht haben mögen, da wir nicht erkannten, welch erlauchten Jünger des Sherlock Holmes wir unter unserem Dach beherbergten. Wer so weit am Ende der Welt wohnt und nur die Times und den Spectator liest, wie wir, der wird, so fürchte ich, in seinen Interessen ein wenig einseitig. Erst als meine Frau an ihre Kusine schrieb (eine Mrs. Smith, die Sie vielleicht sogar kennen, denn sie wohnt in Kensington) und dabei Ihren Aufenthalt bei uns erwähnte, wurden wir von Mrs. Smith in ihrem Antwortschreiben darüber aufgeklärt, wer unser Gast in Wirklichkeit war.
Indem ich nun hoffe, daß Sie uns unsere beklagenswerte Unwissenheit nachsehen werden, wage ich Ihnen zu schreiben und Sie um einen Rat aus dem reichen Schatz Ihrer Erfahrungen zu bitten. Heute nachmittag wurden wir durch ein ebenso rätselhaftes wie erschreckendes Ereignis jäh aus ›unsrer Tage gemächlichem Trott‹ gerissen. Als wir nämlich das Grab der seligen Lady Thorpe öffneten, damit es ihren Gatten aufnehme – von dessen traurigem Hinscheiden Sie sicherlich aus der Tagespresse erfahren haben –, fanden wir zu unserem Entsetzen den Leichnam eines völlig fremden Mannes, der allem Anschein nach auf gewaltsame und verbrecherische Weise ums Leben gekommen ist. Sein Gesicht wurde fürchterlich entstellt und – was uns noch erschreckender erscheinen will – dem Bedauernswerten wurden auch noch die Hände an den Gelenken abgeschnitten! Unsere örtliche Polizei hat natürlich die Sache in der Hand, aber nun ist die Angelegenheit für mich von besonderem und schmerzlichem Interesse (da auf eine Art unsere Pfarrkirche davon berührt ist), und ich weiß nicht recht, wie ich persönlich mich nun verhalten soll. Meine Frau mit ihrem bekannten Sinn fürs Praktische rät mir, Sie um Rat und Hilfe zu bitten, und Polizeidirektor Blundell aus Leamholt, mit dem ich eben erst gesprochen habe, hat sich freundlicherweise bereit erklärt, Ihnen alles Notwendige für die Ermittlungen zur Verfügung zu stellen, sollten Sie sich der Sache persönlich annehmen wollen. Kaum wage ich es, einen so vielbeschäftigten Mann wie Sie zu bitten, hierherzukommen und die Ermittlungen an Ort und Stelle zu führen, aber sollten Sie dies in Erwägung ziehen, brauchte ich nicht erst zu erwähnen, wie herzlich Sie uns im Pfarrhaus willkommen wären.
Verzeihen Sie mir, wenn dieser Brief ein wenig umschweifig und wirr ist; ich schreibe in einiger Bestürzung. Hinzufügen darf ich noch, daß unsere Glöckner Sie in dankbarer Erinnerung haben und gern an Ihre Hilfe bei unserem großen Zyklus zurückdenken, und es
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