Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
geweihtem Boden stehen. Also – hoch mit dem Deckel! Kleinen Moment. Wir wollen den Wassergöttern einen halben Ziegelstein opfern. Platsch! – gar nicht mal so tief. Wenn wir die Leiter über den Brunnen legen, können wir schön gerade ziehen.«
Er legte sich bäuchlings auf die Leiter, nahm die Rolle in die linke Hand und ließ die Schnur vorsichtig über den Holmen hinuntergleiten, während der Polizeidirektor ihm mit seiner Taschenlampe leuchtete.
Kalt und feucht stieg die Luft von der Wasseroberfläche empor. Tief unten spiegelte ein lichter Kreis den blassen Himmel, und der Strahl der Taschenlampe begleitete den stetigen Weg der Angelschnur nach unten. Ein leichtes Kräuseln auf dem Spiegel zeigte an, daß die Haken das Wasser berührten.
Pause. Dann hörte man Wimsey mit surrender Spindel die Schnur einholen.
»Das Wasser ist tiefer, als ich dachte. Wo ist das Blei? So, versuchen wir's noch einmal.«
Neue Pause. Dann:
»Da hat was angebissen, Chef! Wetten wir, daß es ein alter Schuh ist? Für das Seil ist es nicht schwer genug. Macht nichts. Aufgepaßt, man kommt. Trara, die Post ist da! Verzeihung, schon wieder vergessen! Hallo-allo-allo, was ist denn das? Kein Schuh, aber nicht weit gefehlt. Ein Hut! Na, Chef – haben Sie wohl den Kopfumfang der Leiche gemessen? Sie haben? Gut! Dann brauchen wir sie nicht wieder auszubuddeln, um zu sehen, ob ihr der Hut paßt. Käscher bereit? Hab ihn! Weicher Filz, verträgt Wind und Wetter nicht so gut. Massenware. Londoner Fabrikat. Beweisstück Nummer eins. Legen Sie's zum Trocknen weg. Und wieder abwärts … Hoch damit. Noch so etwas Verrücktes. Heiliger Strohsack, was ist denn das? Sieht aus wie eine Wurst. Ist es aber nicht, ist es nicht! Eine Filzhandhabe. Die hat mir grade noch zu meinem Glück gefehlt. Gehört zur kleinen Gaude. Vorsichtig damit umgehen, nicht stürzen und nicht knicken! Wo der Filz ist, daß muß auch der Rest sein … Hoppsassa! … Ich hab's … Irgendwo hängt es fest … Nein, nicht so stark ziehen, sonst reißt der Haken aus. Immer mit Gefühl. Festhalten … Verdammt! … Verzeihung – ent-dammt ! Wollte sagen, wie ärgerlich, jetzt ist es weg … Aber – jetzt hab ich's … War das die Leiter, was da so geknackt hat, oder mein Brustbein? Eklig scharfe Kanten an so einer Leiter … So, da haben wir unsern Aal! Da kommt er – ein ganzes Knäuel. Zupacken … Hurra!«
»Das ist aber nicht alles«, sagte der Polizeidirektor, nachdem sie den glitschigen Seilsalat über den Brunnenrand gehievt hatten.
»Läßt sich denken«, sagte Wimsey, »aber das ist eines von den Stücken, die er zum Fesseln benutzt hat. Er hat die Fessel nachher einfach durchgeschnitten und die Knoten dringelassen.«
»Ja. Lassen Sie die Knoten lieber in Ruhe, Mylord. Sie könnten uns verraten, wer sie geknüpft hat.«
»Sorg für die Knoten, dann sorgt die Schlinge für sich selbst. Recht haben Sie. Und wieder geht's abwärts.«
Nach einiger Zeit hatten sie das ganze Seil – soweit sie es beurteilen konnten – in fünf Stücken vor sich liegen, einschließlich Filzhandhabe.
»Arme und Beine separat gefesselt. Dann den Körper an irgend etwas festgebunden und das Ende abgeschnitten. Und den Filz hat er abgemacht, weil er ihm beim Knoten in die Quere kam. Hm!« machte Mr. Blundell. »Keine fachmännische Arbeit, aber sie hat ihren Zweck erfüllt, würde ich sagen. Nun, Mylord, da haben Sie eine sehr interessante Entdeckung gemacht. Aber – ein kleiner Tiefschlag ist es auch. Das wirft doch wieder ein ganz anderes Licht auf das Verbrechen, nicht?«
»Ganz recht, Chef. Nun, man muß den Dingen ins Gesicht sehen, sagte die Dame, als sie hinging und das ihre liften ließ. Hallo! Was zum –«
Ein Gesicht, wie körperlos über der Friedhofsmauer schwebend, tauchte schnell unter, als Wimsey sich umdrehte, um gleich wieder hochzukommen.
»Zum Kuckuck, was willst du denn hier, Potty?« rief der Polizeidirektor.
»Ach, nichts«, antwortete Potty. »Gar nichts will ich. Wen wollen Sie damit aufhängen, Mister? Das ist ein Strick ist das. Da im Turm hängen acht Stück davon«, fügte er vertraulich hinzu. »Der Herr Pfarrer läßt mich nicht mehr rauf, weil es keiner wissen soll. Aber Potty Peake weiß. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht – alle aufgehängt, am Hals. Der größte ist Paul – Tailor Paul – müßten aber richtig neun sein – neun Tailors. Ich kann nämlich zählen; o ja, Potty kann zählen. Hab sie oft gezählt, mit den
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