Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
wo es gerade was zu laden gibt.«
»Ach so, klar. Wie heißt sein Schiff noch gleich?«
»Das ist die Hannah Brown. Sie gehört Lampson & Blake in Hull. Jim macht sich ganz gut, wie ich höre, und sie halten große Stücke auf ihn. Wenn Captain Woods mal was zustößt, geben sie Jim das Schiff. Nicht wahr, Will?«
»Das sagt er«, antwortete Thoday ausweichend. »Aber heutzutage verläßt man sich besser auf gar nichts.«
Der Eifer der Frau und das genaue Gegenspiel davon bei ihrem Mann waren so auffallend, daß Mr. Blundell sich seinen Reim darauf machte.
Jim hat offenbar für Ärger zwischen den beiden gesorgt, war sein unausgesprochener Kommentar. Das erklärt manches. Aber mir hilft es nicht viel weiter. Ich wechsle besser das Thema.
»Sie haben also nicht zufällig gesehen, ob sich in dieser Nacht etwas bei der Kirche abgespielt hat?« fragte er. »Keine hin und her wandernden Lichter oder dergleichen?«
»Ich bin die ganze Nacht nicht von Wills Bett gewichen«, antwortete Mrs. Thoday mit einem zögernden Blick zu ihrem Mann. »Sehen Sie, er war doch so krank, und wenn ich auch nur eine Minute fortgegangen wäre, hätte er sofort die Decke abgeworfen und versucht, aufzustehen. Wenn ihm nicht gerade die Läuterei im Kopf herumspukte, dann diese alte Geschichte – Sie wissen schon.«
»Die Wilbraham-Affäre?«
»Ja. Er war ganz durcheinander und hat sich eingebildet, der – das – dieser gräßliche Prozeß ist wieder im Gange und er muß mir beistehen.«
»Jetzt reicht's aber!« rief Thoday plötzlich und stieß seinen Teller so heftig fort, daß Messer und Gabel klappernd vom Teller auf den Tisch sprangen. »Du sollst dich nicht immer so mit dieser alten Sache herumquälen. Das ist alles tot und begraben. Wenn ich mal nicht alle Sinne beieinander habe und die Geschichte dann wieder hochkommt, kann ich ja nichts dafür. Aber ich wäre weiß Gott der letzte, der dich daran erinnern würde, wenn ich was dafür könnte. Das müßtest du langsam wissen.«
»Ich mache dir ja keinen Vorwurf, Will.«
»Und ich will in meinem Haus nichts mehr davon hören. Was wollen Sie eigentlich, daß Sie herkommen und meine Frau damit aufregen, Mr. Blundell? Sie hat Ihnen gesagt, daß sie nichts über den Mann weiß, der da im Grab lag, und mehr ist nicht zu holen. Was ich gesagt oder getan habe, als ich krank war, ist ja nun wirklich nicht wichtig.«
»In der Tat nicht«, räumte der Polizeidirektor ein, »und ich bedaure, daß so eine Andeutung überhaupt gefallen ist, wirklich. So, dann will ich Sie jetzt nicht länger aufhalten. Sie können mir nicht helfen, und damit hat sich's. Ich will nicht sagen, daß dies keine Enttäuschung wäre, aber die Arbeit der Polizei besteht aus lauter Enttäuschungen; da muß man die Dinge nehmen, wie sie kommen. Jetzt bin ich aber weg, damit die Kleinen noch zu ihrem Tee kommen. Übrigens, was ist aus Ihrem Papagei geworden?«
»Wir haben ihn ins andere Zimmer gestellt«, sagte Will mit finsterer Miene. »Der schreit ja neuerdings herum, daß einem der Schädel platzt.«
»Das ist der Nachteil bei diesen Vögeln«, sagte Mr. Blundell. »Aber ein guter Sprecher ist er. Einen bessern hab ich noch nie gehört.«
Er wünschte ihnen einen schönen Abend und ging. Die beiden kleinen Thodays, die man während des Gesprächs über Mord und Totschlag und andere, für Kleinmädchenohren ungeeignete Dinge in den Holzschuppen verbannt hatte, kamen herbeigeeilt, um ihm das Tor zu öffnen.
»Guten Abend, Rosie«, sagte Mr. Blundell, der nie einen Namen vergaß, »guten Abend, Evvie. Seid ihr auch schön brav in der Schule?«
Doch da in diesem Augenblick Mrs. Thodays Stimme sie zum Tee hereinrief, bekam der Polizeidirektor auf seine Frage nur eine knappe Antwort.
Mr. Ashton war ein Bauer alter Schule. Er mochte an die fünfzig Jahre alt sein, vielleicht auch sechzig oder siebzig – es war schwer zu sagen. Er sprach abgehackt mit bellender Stimme und hielt sich so aufrecht, daß er, wenn er einen Stock verschluckt hätte, davon höchstens krummer hätte werden können. Nach einem prüfenden Blick auf seine Hände mit den knorrigen, knotigen Gelenken schloß Wimsey jedoch, daß seine gerade Haltung wohl weniger den aufrechten Charakter widerspiegelte als vielmehr die Folge einer chronischen Arthritis war. Seine Frau war beträchtlich jünger als er und das gerade Gegenteil von ihm: sie pummelig, er dürr; sie springlebendig, er gesetzt; sie fröhlich, er dagegen ernst; sie redselig, er
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