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Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Titel: Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers & Jill Paton Walsh
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jetzt. Vielleicht überraschst du dich ja noch selbst.»
    «Ich muss los», sagte er mit einem Blick auf die Uhr. Eine leichte Röte überzog sein Gesicht. «Bekomme ich einen Abschiedskuss?»
    Harriet küsste ihn auf beide Wangen und sah ihm nach, wie er seinen Koffer auf den Beifahrersitz seines Sportwagens warf und dann die Auffahrt hinunterbrauste. «Ach, Jerry», sagte sie leise und seufzte.

Drei

    In diesem Frühjahr führt man uns zum Altar: Wenn die Bomben fallen, werden die Frühlingsblumen ver mutlich mit den Köpfen nicken und im Garten Gelb und Rot ausstreuen – ach, was für eine seltsame Spannung, dem Frühjahr 1940 entgegenzugehen.
Virginia Woolf, Tagebuch, 8. Februar 1940

    Am Dienstagmorgen half Harriet Mrs. Goodacre im Pfarrhaus. Hier war es noch voller als in Talboys, denn die Goodacres hatten einen bunten Trupp Flüchtlinge bei sich aufgenommen: von drei Tschechen jüdischer Abstammung bis zu einem polnischen Hühnerzüchter, der versuchte, wahlweise in die R.A.F. oder die Armee einzutreten, und standhaft falsche Angaben über sein Alter machte. Als Harriet eintraf, war er in der Küche mit Eifer dabei, fachmännisch ein Huhn zu rupfen und die Federn in einem Sack zu verstauen. «Jan kocht sehr gut», teilte Mrs. Goodacre der Besucherin mit. «Aber er würde lieber kämpfen, wenn wir ihn nur ließen.» «Wie alt ich sehe aus?», fragte Jan Harriet. Sie betrachtete ihn. Sein rundes, freundliches Gesicht war, von Lachfältchen abgesehen, noch recht glatt, aber das Haar schon grau. «Vierzig?», riet sie. «Fünfundvierzig?»
    «Ist fünfzig», antwortete er bekümmert. «Sie sagen, nicht gut für Armee. Mehr schlecht sogar für R.A.F.» «Es tut mir Leid», sagte Harriet, als wenn sie für die Weisung selbst verantwortlich wäre. «Aber man wird sicher eine andere Tätigkeit für Sie finden. Irgendeine Art Kriegshilfsdienst.»
    «Nur Landarbeit, sonst nicht», erklärte er. «Kopf hoch», sagte Harriet. «Essen ist auch Munition für den Krieg, heißt es doch immer.»
    Die Pfarrersfrau hatte die konfliktträchtige Aufgabe übernommen, in Paggleham die Wohnraumbewirtschaftung zu organisieren, und führte Inspektionen bei jeder Familie durch, die Evakuierte aufgenommen hatte. Viele waren aus den verschiedensten Gründen wieder von ihren Familien heim nach London geholt worden. Mrs. Goodacre musste sich nun einen aktuellen Überblick darüber verschaffen, wer noch eingewiesene Bewohner hatte, bei wem wieder freie Zimmer zur Verfügung standen, wer kooperativ sein und mit wem es Ärger geben würde, wenn die nächste Welle vertriebener Mütter und Kinder Unterkunft suchte. Es war absehbar, dass ein deutscher Vormarsch durch Nordfrankreich die Stützpunkte ihrer Bomber immer näher an die Ziele in England heranrücken würde. Sobald erst die lang erwarteten und befürchteten Angriffe auf die Städte einsetzten, kämen aller Wahrscheinlichkeit nach wieder Evakuierte in großer Zahl aufs Land.
    Mrs. Goodacre setzte sich mit Harriet an den Küchentisch und suchte aus ihrem Zettelkasten mit Anlaufadressen eine Reihe Karteikarten heraus. Neun davon übergab sie Harriet als ihren Anteil an der In spektion. Zu ihrem Erstaunen entdeckte Harriet beim Durchsehen der Karten hinter manchen Namen von Kindern die Buchstaben LUES, und ein LUES auch hinter der Adresse von Mr. Maggs.
    «Du liebe Güte, Mrs. Goodacre!», rief sie. «Auf Bettnässen und Läuse war ich bei den Kindern ja gefasst, aber Lues? »
    «Nun, bei vielen musste man es wirklich so nennen, als sie hier ankamen, und was diese Mrs. Maggs angeht, Harriet, Sie hätten ihre Küche mal sehen sollen …» «Musste es wie nennen?», fragte Harriet mit schwacher Stimme. «Und was war mit der Küche?» «LUES», erklärte Mrs. Goodacre.
    «Das ist mein Kürzel für ‹Leidet unter erheblichem Schmutz›. Und die Küche wimmelte von Schaben.» «Dem Schöpfer sei's gedankt!», seufzte Harriet. «Wie bitte?», wunderte sich Mrs. Goodacre. «Dass es nicht etwas noch Schlimmeres war», sagte Harriet ernst.
    «Es mag ja noch Schlimmeres geben», sagte Mrs. Goodacre mit einiger Skepsis in der Stimme. «Aber ich finde doch, bezüglich gewisser Dinge hätte die Regierung etwas vorausschauender sein können – was die Beeinträchtigung des Geschäftslebens angeht, die Evakuierung und so weiter. Sie hat sich offenbar – die Regierung, meine ich – den Anfang vom Ganzen genau überlegt und dann einfach mit dem Denken aufgehört! Die Schulkinder zum Beispiel:

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