Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten
der Unterschied ist, wenn diese jungen Flieger demnächst vom Feind abgeschlachtet werden? Wenn vielleicht keine von uns mehr ihren nächsten Geburtstag erlebt? Nein?» Rita wandte der Gruppe den Rücken zu und machte sich daran, in einem Topf Suppe auf dem Primuskocher herumzurühren. Harriet bedankte sich bei allen, Ritas Rücken eingeschlossen, für die nützlichen Informationen und verabschiedete sich. Auf dem Weg über den Hof wurde sie von Muriel eingeholt. «Lady Peter, könnten Sie … ich meine, wenn Ihnen das möglich ist … würden Sie uns auf dem Laufenden halten? Was die Ermittlungen angeht? Auch wenn wir weiter nichts wissen?»
«Aber selbstverständlich», sagte Harriet. In Muriels blassblauen Augen war schwach ein Tränenschimmer zu erkennen. Eine Freundin hatte die windige Wendy also zumindest gehabt.
Zu Hause fand Harriet ihren Neffen Charlie Parker und Lord Saint-George im Salon vor. Die beiden Cousins waren mit gesenkten Köpfen in eine Tätigkeit vertieft, in deren Verlauf der Couchtisch mit einer Unmenge von kleinen Teilen bedeckt worden war. Charlie blickte auf, seine Augen strahlten. «Tante Harriet, stell dir vor!», rief er. «Jerry hat mir einen Bausatz für einen Radiodetektor gekauft, und wir sind gerade dabei, ihn zusammenzubauen! Wenn ich den Sam Bateson zeige – der wird grün vor Neid!»
«Sei nicht so hämisch gegenüber deinen Freunden, Charles», sagte Jerry streng. «Wer auf sich hält, tut das nicht. Außerdem brauchst du vielleicht seine Hilfe. Ich baue dir den Detektor nicht zusammen, ich zeige dir nur, wie er funktioniert und wie man ihn bedient. Die Montage überlass ich dir.» «Aber du hilfst mir doch?»
«Bedaure, Kumpel, ich zwitscher gleich wieder ab. Sobald ich deiner Tante auf Wiedersehen gesagt habe.» «Oh, Onkel Jerry», stöhnte Charlie. «Kannst du denn nicht bis morgen bleiben?»
«Liebend gern, altes Haus, aber die Pflicht ruft», sagte Jerry. «Du räumst jetzt das ganze Zeug hier vom Tisch in die Schachtel zurück und gehst damit nach oben und machst dich ans Werk.»
Als der Junge, die Arme voll geladen, das Zimmer verlassen und die Tür mit dem Fuß hinter sich zugezogen hatte, fragte Jerry: «Lässt du dich in diese Mordgeschichte hineinziehen, Tante Harriet?» «Ein bisschen, Jerry. Meinst du, ich sollte nicht?» «Also, wenn Onkel Peter hier wäre …» «Eben.»
«Und du glaubst nicht, dass es gefährlich sein könnte?»
«Ein Kriminalfall auf dem Lande? Wohl kaum … Im Vergleich zur allgemeinen Gefahr …»
«Das eine könnte mit dem anderen zusammenhängen.»
«Ja, sicher, ohne den Krieg wäre das Opfer gar nicht hier gewesen. Den Boden würden immer noch Peter Gurney, Harry Hawk, der alte Onkel Tom Cobbleigh und die anderen beackern, und die windige Wendy wäre längst – tja, was wäre wohl aus ihr geworden? Eine Lehrerin vielleicht?»
«Kaum. Der Typ war sie nicht, Tante Harriet. Als ich das letzte Mal auf Urlaub hier war, hat sie in der Krone gesessen und jeden Kerl angebaggert», sagte er. «Wäre ich nicht hoffnungslos vernarrt in meine angeheiratete Tante, hätte sie mich auch am Haken gehabt.»
«Also, es ist doch komisch, wie häufig man bei einem weiblichen Opfer feststellt, dass sie vor allem selber schuld ist. Entweder war sie zu kühl oder zu aufreizend, entweder zu kokett oder zu unnahbar, auf jeden Fall hat sie irgendwie …»
«… ihr Schicksal verdient. Ich verstehe, was du meinst. Sehr unschön dem schönen Geschlecht gegenüber. Und Tote können sich nicht verteidigen. Trotzdem, pass auf dich auf.»
«Das sollte ich eher dir raten. Falls Jagdflieger überhaupt auf sich aufpassen können.»
«Ich kann aufpassen, dass ich einen von den Dreckskerlen mitnehme, wenn es mich erwischt. Darauf kannst du dich verlassen.»
«Komm lebend zurück. Sonst brichst du deinem Vater das Herz.»
«Schwerlich. Nicht für mich hegt er so zärtliche Gefühle, sondern für seinen Erben. Wenn ich natürlich dir das Herz brechen könnte, wäre das ein wirklicher Ansporn.»
«Jerry, lässt du die Fopperei denn nie bleiben? Natürlich würde ich um dich trauern, ich wäre tieftraurig. Aber lieber habe ich dich rotzfrech und quietschlebendig um mich.»
«Tot oder lebendig, meinem Vater breche ich so oder so das Herz», sagte er auf einmal ganz ernst. «Wenn ich den Titel und das Land und so weiter wirklich erben sollte, verkaufe ich den ganzen Krempel und lasse mich in einer netten Junggesellenbude im West End nieder.»
«Das denkst du
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