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Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Titel: Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers & Jill Paton Walsh
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    «Ich muss Sie leider darauf hinweisen, dass hier ein Missverständnis besteht», beeilte Harriet sich zu sagen. «Ich bin nicht von der Polizei, sondern komme als Bürgerin, die der Polizei unter die Arme greift.» Sie reichte das Schreiben von Superintendent Kirk über den Tisch.
    «Nehmen Sie Platz», sagte der Offizier. Aufmerksam las er den Brief durch – zweimal.
    «Nun, Lady Peter», sagte er dann, «ein unübliches Vorgehen, sehr unüblich, andererseits leben wir auch nicht in gewöhnlichen Zeiten. Ich bin Ihrem Gatten, glaube ich, einmal begegnet. Es liegt schon einige Jahre zurück.»
    «Bevor ich selbst ihn kennen gelernt habe, nehme ich an.»
    «Ja, zweifellos. Mein Name ist Baldock. Ich befehlige diese Einrichtung, die offiziell überhaupt nicht existiert, Lady Peter. Ich fürchte, wir hätten Sie gar nicht erst hereinlassen sollen, und da es nun mal geschehen ist, müssen wir zusehen, wie wir den Schaden in Grenzen halten.»
    «Bislang ist noch kein Schaden entstanden», sagte Harriet ruhig, «sofern die Architektur englischer Herrenhäuser nicht ebenfalls der Geheimhaltung unterliegt.»
    «Nette Bude, nicht wahr? Freut mich, dass es Ihnen aufgefallen ist. Tja, also, wie ich diesem Schreiben entnehme, möchten Sie einen meiner Leute befragen. Ein guter Mann, ein bisschen launenhaft vielleicht. Meine Interessen in dieser Sache gehen in zwei Richtungen. Zum einen muss ich mit allen Mitteln verhindern, dass Ihnen bekannt wird, worin unsere Arbeit hier besteht. Zum andern muss ich Birdlap von jeglicher Aufregung fern halten, die ihn von seiner Aufgabe ablenken könnte.»
    «Was den ersten Punkt angeht, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Meine Fragen an ihn beziehen sich auf Geschehnisse im Dorf Paggleham. Ich habe keinen Anlass, ihn zu seinen militärischen Aufgaben auszuhorchen. Das kann ich Ihnen versichern.»
    «Ich danke Ihnen.»
    «In der zweiten Frage werde ich Sie allerdings nicht so leicht beruhigen können. Es geht um den brutalen Mord an einer jungen Frau, mit der er ein Verhältnis gehabt haben soll. Unser Gespräch mag für ihn also sehr wohl eine gewisse Aufregung mit sich bringen.» «Ich verstehe. Über den Todesfall ist er bereits unterrichtet?»
    «Ich weiß es nicht. Es könnte gut sein. Aber möglicherweise ist ihm nicht bewusst, dass er anscheinend der Letzte war, der die Frau lebend gesehen hat.» «Und wenn ich Ihrem Wunsch nach einem Gespräch nicht nachkomme, wird mich in Kürze ein gewisser Superintendent Kirk mit einem Haftbefehl beehren?» «Sehr wahrscheinlich ja.»
    Brigadier Baldock stand auf, trat ans Fenster und blickte auf den Zehen wippend hinaus. Dann drehte er sich zu Harriet um. «Sie scheinen das kleinere von zwei Übeln zu sein, Lady Peter», sagte er. Er betätigte eine Glocke auf seinem Tisch, und ein Sergeant in Uniform trat ein. «Holen Sie Birdlap», befahl er ihm.
    Baldock setzte sich wieder. «Ich werde während der gesamten Befragung zugegen sein.»
    Harriet hatte keine Einwände. Im Raum trat Stille ein. Sie hörte die Uhr in der Ecke schwerfällig ticken. Eine sehr von sich eingenommene Uhr, die ein großes Brimborium um das Verstreichen jeder Sekunde machte.
    «Lord Peter hat sich wohl sehr verändert seit der Zeit, als ich ihn kannte», bemerkte der Brigadier plötzlich.
    «Wie kommen Sie darauf?» Ein Anflug von Ärger lag in Harriets Stimme. «Sind Sie überrascht, in mir seine Frau zu sehen?»
    «Nun, ich … liebe Güte, Lady Peter, ich wollte damit nicht …»
    «Was Sie wohl sagen wollten», kam Harriet ihm zuvor, «ist, dass ich weder die Schönheit noch die Klasse mitbringe, die Sie für notwendig gehalten hätten, um ihn einzufangen. Ich schließe daraus, dass Sie mit Lord Peter nicht sonderlich gut bekannt waren.» «Aber Köpfchen», sagte der Brigadier unerschütterlich. «Köpfchen würde er natürlich auch nicht verachten.» Darauf zu antworten blieb Harriet dankenswerterweise erspart, da in diesem Moment Birdlap erschien. Ein blutjunger R.A.F.-Offizier von nachlässigem Äußerem trat mit offener Jacke und ungekämmten Haaren ein. Der Knoten seiner Krawatte hing unter dem aufgeknöpften Hemdkragen, und seine ganze Erscheinung machte einen, wenn schon nicht verschlafenen, dann doch sehr gedankenverlorenen Eindruck. In seiner verletzlich wirkenden Art sah er mit dem breiten, empfindsamen Mund und der mageren, jungenhaften Statur überwältigend gut aus. Harriet war davon überzeugt, dass er bei vielen jungen Frauen

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