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Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Titel: Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers & Jill Paton Walsh
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unter der Schirmherrschaft Peters eine private Agentur zu ihrer Verfügung stand. Miss Climpson war schon einige Jahre mit großer Geschicklichkeit für Peter tätig, indem sie Fragen stellte, wie Peter einmal gesagt hatte, «die ein junger Mann nicht stellen könn te, ohne rot zu werden». Er hatte sie und einen Schwarm überflüssiger, ansonsten unbeschäftigter Damen eingesetzt, verdächtige Annoncen zu beantworten, die von Schwindlern, Kredithaien und Trickbetrügern aufgegeben worden waren, und hatte auf diese Weise das Beweismaterial dafür zusammengetragen, um diese Herrschaften zu überführen und ihre Opfer zu retten. Eine Aufgabe, die nie abgeschlossen war. Und in jüngster Zeit hatte sie die Aufmerksamkeit ihrer «Hennen» auf die öffentliche Meinung gelenkt, auf den Bereich der hinter vorgehaltener Hand geäußerten weiblichen Meinung, zu dem die offizielle Demoskopie keinen Zugang fand. Frauen untereinander mochten in heiklen Situationen schon einmal murren, auch wenn sie nach außen hin gute Miene machten. In ihrem letzten Brief hatte Miss Climpson recht ausgelastet geklungen. Harriet nahm ihn noch einmal zur Hand.

    … An Sonntagabenden ist es jetzt bei mir am ruhigs ten – wir müssen die Abendandacht natürlich mitten am Nachmittag abhalten, wegen der Verdunklung und des Winters. Die Chorknaben sind evakuiert worden, und zwei der Hilfspriester sind fort, um Feldkaplane zu werden, also können wir anstatt des Hochamts nur eine stille Messe abhalten. Und wenn man den Luft schutzkeller in der Krypta und noch manch anderes bedenkt, kommen wir uns langsam schon so verfolgt vor wie die Frühchristen in den Katakomben! Doch ich sollte wirklich nicht so leichtfertig daherreden, wenn gleichzeitig in Deutschland und Österreich tat sächlich Christen verfolgt werden. Und das auf so raf finierte Weise: Den alten Leuten erlaubt man noch, zur Kirche zu gehen, während man all die Kinder durch die sonntäglichen Versammlungen der Hitlerju gend daran hindert und ihnen beibringt, Christus zu schmähen und ihre Eltern für deren Glauben an die Religion zu verachten. Es muss schrecklich sein, als Vater oder Mutter mit anzusehen, wie die Regierung einem vorsätzlich die eigenen Kinder entfremdet und die Familien zerstört und kleine Jungen und Mädchen ermutigt, entsetzliche, schmutzige Geschichten über Juden und Priester in diesem abscheulichen «Stürmer» zu lesen. Soweit ich weiß, lehren sie diese entsetzli chen Dinge sogar in den Schulen. Aber ein totalitärer Staat kann es sich vermutlich einfach nicht leisten, ir gendeiner Gruppe von Menschen eigene Interessen oder Gedanken zu erlauben – nicht einmal der Familie! Und wenn man bedenkt, dass die netten Deut schen immer so sehr an ihrem «gemütlichen» (war das nicht das deutsche Wort?) Familienleben gehangen haben, dann bricht es einem doch fast das Herz …

    Ganz offenbar wusste sich Miss Climpson ihre Zeit zu vertreiben. Dennoch würde sie gegen einen Ausflug in die Vergangenheit, in Form einer kleinen Erkundigung im Rahmen von Ermittlungen in einem Mordfall, vielleicht nichts einzuwenden haben, selbst wenn es Harriet war, die sie darum bat, und nicht der liebe Lord Peter. Mit dem Stift in der Hand, das geduldige Blatt Papier vor sich, wurde Harriet plötzlich von Sehnsucht nach Peter überwältigt. Auch früher war sie, Harriet, schon in Mordermittlungen verwickelt gewesen, doch niemals ohne Peter an ih rer Seite oder zumindest im Hintergrund. Sie vermisste ihn schrecklich, in jeder Beziehung. Aber wie lächerlich, dass einem über einem Brief an Miss Climpson die Tränen kommen mussten!
    Harriet riss sich zusammen und besah sich noch einmal die drei Namen: Jake Datchett, Archie Lugg, Roger Birdlap. Um Birdlap hatte sie sich bereits gekümmert. Sie rekapitulierte, was sie über die beiden anderen wusste. Archie Lugg war Handwerker und hatte vor ein oder zwei Wochen erst aus alten Dielenbrettern einige behelfsmäßige Bücherregale für sie gezimmert. Ein gut aussehender Mann, er strahlte in seinem Leben und Arbeiten eine nachdenkliche Ruhe aus, die sie mit echtem handwerklichem Können verband, und verbreitete einen schwachen Geruch nach Holzspänen. Vergebens versuchte sie, ihn sich vorzustellen, wie er rasend vor Liebe und in eifersüchtiger Wut tötete. Es gelang ihr nicht, aber andererseits wusste sie auch nicht viel von ihm. Wenn jemand einen stumpfen Gegenstand suchte, würde er in Archies Werkzeugkiste sicher vielfach fündig. Nach einem Mann

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