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Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Titel: Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers & Jill Paton Walsh
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Peters wunderbares Talent, Leute zu rückhaltlo sen Redeschwällen zu bewegen, ging ihr offenbar völlig ab. Solange Miss Climpson Harriet nicht Meldung über ihre Nachforschungen erstattet hatte, blieb ihr also keine andere Möglichkeit, als der vagen Spur nachzugehen, die Fred Lugg durch seine Sichtung der geheimnisvollen Mrs. Spright eröffnet hatte. In der Datchett's Lane leuchteten am Wegesrand Schlüsselblumen auf wie Kleckse saurer Sahne, hier und da lugten im Gras auch noch ein paar wilde Veilchen hervor. Die Hecken rechts und links des Weges ließen an jedem Zweig winzige Blätter knospen, und fröhliches Vogelgezwitscher erfüllte die Luft. Durch die Gasse zu spazieren hellte Harriets Stimmung auf, bis das Geräusch eines einzelnen Flugzeugs über ihr sie wieder daran erinnerte, was für ein trügerischer Frieden hier herrschte. «Bleib vernünftig», schalt sie sich. «Nichts auf der Welt, nicht einmal Hitler, kann einen englischen Feldrain daran hindern, Wildblumen emporschießen zu lassen.» Das Cottage von Mrs. Spright stand ganz am Ende des Weges und grenzte rückseitig an Felder. Dahinter folgte ein kleiner Wald. Da sie die Eigentümerin im Garten sah, hob Harriet den Riegel der Pforte und trat ein.
    Mrs. Spright machte einen etwas zerzausten Eindruck, war andererseits aber auch eben dabei, Gemüsebeete umzugraben. Sie war eine große, recht athletisch gebaute Frau: sie hatte sich eine geblümte Trägerschürze übergezogen und hielt sich das graue Haar mit einem Reifen aus dem Gesicht, der eher zu einem Kind passte als zu einer älteren Dame. «Was für ein schöner Tag!», begann Harriet. «Da wird einem warm bei der Arbeit.»
    Mrs. Spright richtete sich auf und stützte sich auf ihre Forke. «Wir sind angehalten, Gemüse zu ziehen», sagte sie.
    «Selbstverständlich. Was pflanzen Sie denn?» «Erst mal Bohnen und Kohl», antwortete Mrs. Spright. «Und Mohrrüben natürlich, damit man besser im Dunkeln sieht.»
    «Das habe ich auch schon gehört», sagte Harriet. «Dann stimmt es wirklich?»
    «Im Dunkeln», erklärte Mrs. Spright bedeutungsvoll, «sieht man gewisse Dinge besser, die am Tage im Verborgenen liegen. Und es stimmt wirklich, Lady Peter. Für die Zähne sind sie auch gesünder als die sprichwörtlichen Äpfel.»
    «Darf ich Sie fragen, was Sie im Dunkeln gesehen haben, Mrs. Spright?», sagte Harriet kühn. «Vor allem letzten Monat in der Nacht zum Siebzehnten. Sie waren nicht mit uns im Schutzraum.»
    «Es war ja kein richtiger Alarm, oder? Kommen Sie rein und trinken Sie eine Tasse Tee. Es ist weiß Gott zu kalt, um sich hier draußen im Stehen zu unterhalten.» Das Cottage war sauber und eher spartanisch möbliert. Im Flur hing neben einer Sammlung grüner Teller eine Reihe Urkunden mit zahnheilkundlichen Auszeichnungen. Das Wohnzimmer war mit braunen Ledersesseln bestückt und hatte einen Kamin, leer und sauber gefegt. Eine gewisse kühle Atmosphäre und ein Stapel alter Zeitungen auf einem Hocker verrieten Harriet, dass die Hausbesitzerin in diesem Raum nur wenig Zeit verbrachte und ihm nicht viel Aufmerksamkeit schenkte.
    «Setzen Sie sich», sagte ihre Gastgeberin. «Ich halte mich normalerweise nicht hier drin auf, sondern ziehe die Küche vor, da kann man von der Straße aus nicht reinschauen.»
    «Macht es denn etwas, wenn jemand reinschaut?» Harriet war überrascht. «Das hier ist doch das letzte Haus in der Straße? Da kommen doch sicher nicht viele Leute vorbei.»
    «Ich bleibe gern außer Sicht meiner Feinde», erklärte Mrs. Spright. «Mir ist es lieber, wenn sie nicht wissen, ob ich hier bin oder da, nah oder fern. Wenn sie nicht wissen, wo ich bin.»
    «Was sind das für Feinde?», fragte Harriet. Sie begann sich deutlich unwohl zu fühlen.
    «Spione», sagte Mrs. Spright schlicht, «und die fünfte Kolonne. Die wissen, dass ich ihnen auf der Spur bin. Und da die Behörden nichts unternehmen, Lady Peter, muss ich selber aufpassen. Denken Sie an meine Worte: Wenn die Deutschen einmarschieren, werden sie mich zuerst holen, noch vor so manchen, die sich für zu wichtig halten, meinen Informationen nachzugehen. Die werden einen Hass auf mich haben, weil ich wachsam geblieben bin, obwohl mir keiner geglaubt hat.»
    «Gibt es in Paggleham viele Spione?», erkundigte sich Harriet. Die Frau war eindeutig geistesgestört – und trotzdem hatte sie vielleicht etwas gesehen. «Wenn das keine Spione sind, möchte ich wissen, was die sonst im Schilde führen», sagte Mrs. Spright.

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