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Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Titel: Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers & Jill Paton Walsh
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«Zucker, Lady Peter? Ich selbst nehme ja keinen mehr, aber …»
    «Nein, nein», sagte Harriet schnell, als ihre Gastgeberin einen gehäuften Löffel über ihre Tasse hielt. «Danke, ich trinke den Tee ohne. Wie meinten Sie gerade? Was wer im Schilde führt?»
    «Ich kann Ihnen nicht trauen. Der halbe Adel hält zu Hitler, das wissen Sie ja.»
    «Ich ganz bestimmt nicht. Ebenso wenig wie mein Mann.» Doch welcher Art war der offenkundige Wahnsinn dieser Frau?
    «Da ist erst mal Aggie Twitterton», sagte Mrs. Spright. «Du liebe Güte!», entfuhr es Harriet, und beinahe ließ sie ihre Tasse fallen. «Sie verdächtigen doch nicht Miss Twitterton, für die Deutschen zu spionieren?»
    «Sie ist nachts viel draußen. Überhaupt ist sie viel hier, für jemanden, der nicht im Dorf lebt.» «Nun, weit hat sie es ja nicht. Ihr kleines Cottage liegt gleich hinter Pagford, an der Straße nach Paggleham. Ein netter Spaziergang bei gutem Wetter.»
    «Eine Freundin von Ihnen, wie? Trotzdem sollte sie jemand fragen, was sie im Dunkeln treibt. Der Nächste ist Bert Ruddle. Sagt, er geht wildern, wenn er nachts hier vorbeikommt, aber ich habe im Wald Lichter gesehen, und welcher Wilderer verrät sich schon durch Licht? Es gibt Leute hier, die geben vor, etwas zu sein, was sie nicht sind, und sie glauben, keiner durchschaut sie, aber ich weiß, wer sie sind. Dieser Brinklow. Und was ist mit dem Pfarrer? Warum hat er ein Eisernes Kreuz auf der Küchenanrichte, wenn er kein Deutscher ist? Warum hat er Deutsche bei sich wohnen? Sagen Sie's mir.»
    «Das kann ich durchaus, Mrs. Spright», sagte Harriet indigniert. «Das Eiserne Kreuz hat der Pfarrer, weil es ihm ein deutscher Soldat in der Somme-Schlacht gegeben hat, bevor er starb. Der Pfarrer war hinter den Linien Krankenträger, weil er für einen aktiveren Dienst zu alt war. Der Mut dieses Mannes hat einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht, und aus diesem Grund hat er das Kreuz all die Jahre aufbewahrt. Was die Fremden betrifft, die im Pfarrhaus leben, so hat er einige Flüchtlinge aufgenommen.»
    «Er hat Leute aufgenommen, das hat er in der Tat. Und zu guter Letzt ist da noch diese Landwirtschaftshelferin. Warum ist sie ermordet worden, wenn sie keine Spionin war?»
    «Haben Sie gesehen, wer sie ermordet hat?», fragte Harriet. Nichts von dem, was diese Frau sagte, konnte freilich als glaubwürdig gelten.
    «Ich hätte es selbst gewesen sein können», bemerkte Mrs. Spright. «Ich habe nichts für Spione übrig. Sie sind das Übelste und das Feigste, was der Feind zu bieten hat, meinen Sie nicht? Aufhängen ist noch zu gut für sie. Ich habe gesehen, wie sie in ihrem nuttigen Kleid die Straße runtergelaufen kam, aber nicht, wer sie umgebracht hat. Nein. Da kann ich Ihnen nicht helfen.»
    «Haben Sie in dieser Nacht sonst noch jemanden gesehen?» Harriet gab die Hoffnung trotz allem nicht auf.
    «Und wenn – wer würde mir glauben? Das halbe Land wird doch vom Feind bezahlt. Wenn Sie mit Ihrem Tee fertig sind, Lady Peter, würde ich gern wieder zurück zu meinen Mohrrüben gehen.» Auf dem Rückweg nach Talboys machte Harriet sich Sorgen. Es hatte so ein giftiger Ton in Mrs. Sprights Reden gelegen. Konnte es wirklich sein, dass Aggie Twitterton nachts in der Gegend herumstrich? Und wenn ja, was käme als Grund infrage? Doch wohl eher ein Liebhaber als Spionage in Diensten des Feindes. Allerdings war im Falle der armen Miss Twitterton das eine beinahe ebenso unwahrscheinlich wie das andere. Eine so einsame Frau. Für ihren sozialen Status viel zu kultiviert erzogen, saß sie nun mit Ideen, Manieren und Ansprüchen auf dem Trockenen fest, die ihr die eigene Armut schmerzlich bewusst machten. Sie war eine Art moderne Ausgabe von Miss Bates in Jane Austens Emma. Aber wie unglücklich sie auch immer sein mochte, Harriet war sich sicher, dass Agnes Twitterton keine deutsche Spionin war. Dafür würde sie ihren Kopf verwetten. Es musste also eine andere Erklärung für Twitters' Nachtwanderungen geben. Und das Naheliegendste war, sie einfach danach zu fragen. Sie waren doch gewiss so gut miteinander befreundet, dass sie die Frage nicht als Kränkung auffassen würde? Sie und Harriet hatten einander recht gut kennen gelernt und auch recht umstandslos, als Agnes Twittertons verschwundener Onkel Noakes sich im Keller von Talboys wieder eingefunden und Harriets Flitterwochen gestört hatte. Harriet musste lächeln, denn diese Erinnerung rief ihr eine Kette von Bildern ins Gedächtnis, Bilder

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