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Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Titel: Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers & Jill Paton Walsh
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die andere Hälfte liegt nicht beim Herzog von Denver, sondern bei seinem höchst unkonventionellen jüngeren Bruder.»
    «Ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte.» Helen erhob sich abrupt von ihrem Platz. «Jetzt muss ich aber gehen. Es gibt noch viel zu tun. Aber mit Mrs. Trapp spreche ich noch kurz, ich muss mir ihr Rezept für das Omelette aus Trockenei geben lassen – absolut erstklassig. Meine Freundin im Ernährungsministerium ist verzweifelt auf der Suche nach schmackhaften Rezepten.»
    Sie marschierte den Flur hinunter in die Küche, wo sie auf die Kinder stieß – inzwischen um Sam Bateson erweitert –, die fröhlich alle miteinander Schokoladenpudding mampften.
    Ohne eine Miene zu verziehen, diktierte ihr Mrs. Trapp das Rezept für ein Omelette aus angerührtem Trockenei. Und Helen ging, nicht ohne noch zu bemerken: «Ich hoffe, dieses fremde Kind bringt Lebensmittelmarken mit, wenn es zum Essen kommt!» Charlie drehte dem Rücken seiner davoneilenden Tante eine lange Nase. Sowohl Harriet als auch Mrs. Trapp bemerkten es, aber keine von beiden wies ihn zurecht.
    «Wo kamen denn die Eier her?», wollte Harriet wissen, als Helen fort war. «Oder sollte ich lieber nicht fragen?»
    «Miss Twitterton hat mir vorgestern zwei Dutzend ihrer Bantam-Eier überlassen, Mylady.»
    «Und wir haben dafür bezahlt? Das ist mir in der Wochenabrechnung gar nicht aufgefallen.» «Gibst du mir, geb ich dir. Miss Twitterton hat auf dem Basar des Freiwilligen Frauenhilfsdienstes eine wunderschöne Seidenbluse erstanden, die ihr viel zu groß war, und sie fragte mich, ob man sie enger machen könnte. Elfenbeinfarbenes Crêpe de Chine – herrlich zu tragen, aber unter der Nadel die reinste Tücke.»
    «Und Sie haben das Kunststück für sie hinbekommen?»
    «Die Frau ist dünn wie ein Stock. Ich musste die ganze Bluse an den Nähten auftrennen und alle Teile neu zusammennähen.»
    «Dann herrscht bei uns also eine Weile kein Mangel an Eiern? Sie verstoßen auf ganzer Linie gegen die Vorschriften, Mrs. Trapp.»
    «Wer Vorschriften macht, sollte wissen, was menschlich ist.» Und dem konnte Harriet nicht widersprechen. In freudiger Erwartung sah sie dem Anblick von Miss Twitterton in der ganzen Pracht elfenbeinfarbener Seide entgegen. Doch für welche Gelegenheit auch immer Miss Twitterton die hinreißende Bluse vorgesehen hatte, der Kirchgang am Sonntag war es jedenfalls nicht. Wie üblich erschien sie, um beim Abendmahlsgottesdienst die Orgel zu spielen, in ihrem marineblauen Viyella-Kleid.

    Eine Untersuchungsverhandlung, bei der Mr. Perkins als Untersuchungsrichter den Vorsitz führte und in deren Verlauf der örtliche Gerichtsmediziner Dr. Craven über die Ursache und den Zeitpunkt des Todes aussagen sollte, musste bei Harriet zwangsläufig Erinnerungen an jene Verhandlung wecken, die ihre Flitterwochen unterbrochen hatte. Von der gegenwärtigen war sicher nicht zu erwarten, dass sie sich als so turbulent erweisen würde wie die damalige. Aber vielleicht folgten Untersuchungsverhandlungen auf dem Dorf doch einem Schema, denn wie schon beim vormaligen Anlass war das Hinterzimmer der Krone brechend voll. Eine Vielzahl von Menschen hatte es irgendwie einrichten können, sich am Vormittag eines Werktags freizunehmen und zu erschei nen. Aufgeregtes Gemurmel erfüllte den Raum, und Mr. Perkins musste heftig von seinem Hammer Gebrauch machen, um die notwendige Ruhe herzustellen. Es gab einige Parallelen im Ablauf. Zur Identität des Opfers sagte Rita Smith aus, landwirtschaftliche Helferin der Women's Land Army auf dem Bateson-Hof. Die Angehörigen der Ermordeten, erklärte der Superintendent den Geschworenen, lebten weiter entfernt und waren begreiflicherweise zu erschüttert, um die Identifizierung vorzunehmen. Rita Smith hatte mit der Verstorbenen einige Monate zusammengelebt und gearbeitet. Miss Smith machte ihre Aussage mit fester Stimme, obwohl auch sie sichtlich erschüttert war.
    Harriet ging durch den Kopf, dass viele in diesem Raum Wendy zum ersten Mal als einen richtigen Menschen mit trauernden Eltern und Freunden wahrnahmen. Ihr Menschsein war bei so vielen vom Schleier der Missbilligung überdeckt worden, mit der man ihrem kecken Verhalten begegnete. Harriet selbst hatte einst in einem berüchtigten Ruf gestanden – einem extremeren noch. Niemand war imstande gewesen, sie durch den Nebel der Ächtung hindurch klar zu erkennen. Den meisten Leuten hatte es eingeleuchtet, dass eine Frau, die mit einem Mann in Sünde

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