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Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Titel: Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers & Jill Paton Walsh
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das Herz begehrte – außer dem Gatten.

    Aus schlechten Nachrichten wurden immer schlechtere. Ein gewisser Quisling – sein Name sei auf Jahrhunderte verflucht – hatte sich zum norwegischen Staatsoberhaupt erklärt und befohlen, den Widerstand einzustellen. Er war nicht eingestellt worden. Großbritannien würde vermutlich kontern, aber man brauchte kein besonders guter Stratege zu sein, um zu erkennen, wie schlecht es aussah. Man musste nicht einmal einen Ehemann irgendwo da draußen in Gefahr haben. Man musste nur wissen, dass Deutsch land auf das Erz angewiesen war, das von Narvik aus verschifft wurde.

    Bunter hatte in der Küche eine Landkarte über dem Kamin aufgehängt, auf der kleine Reihen von Stecknadeln die deutschen und die alliierten Positionen anzeigten. Harriet beobachtete ihn dabei, wie er die Nadeln versetzte, um einen weiteren Rückzug zu markieren. «Bunter, was kommt dann?», fragte sie ihn. «Wir wollen die Pferde nicht scheu machen, Mylady», erwiderte er.
    «Später», sagte sie, als sie merkte, das Charlie und Polly gerade in die Küche gekommen waren. Aber Bunter musste ihr nicht erst erklären, dass es den Anschein hatte, als sei jeder Widerstand gegen die Deutschen zwecklos. Sie griffen an, und die Staaten fielen reihenweise um.
    Wie Bunter die Sache sah, wurde noch klarer, als sie ihn in eine merkwürdige Unternehmung vertieft auf dem alten Heuboden antraf. Der Raum war mit einer Klappe versehen, durch die man früher das Heu hinauf in den Boden geworfen hatte. Harriet, der plötzlich auffiel, dass sie allein im Haus war, hatte sich auf die Suche nach den anderen gemacht und alle miteinander, wie üblich um Sam Bateson ergänzt, dort vorgefunden. Sie schauten Bunter zu, wobei Sadie und Mrs. Trapp die Kleinsten in gebührendem Abstand von Bunters Aktionsradius festhielten. Er hatte einen alten eisernen Einmachtopf an einem der Balken in Kopfhöhe aufgehängt, ein Gartensieb lag zu seinen Füßen, und ein Fass Wasser stand unter ihm auf der Erde. Mit einer Zange neigte er behutsam den Topf, und etwas Geschmolzenes schlug durch das Sieb und landete in zischenden Tropfen im Wasser. «Was macht Bunter da bloß?», fragte Harriet Mrs. Trapp. «Er macht Kugeln!», rief Charlie.
    «Aus Abflussrohren. Ich wusste gar nicht, dass das geht», sagte Sam.
    «Ich auch nicht», sagte Harriet knapp.

    «Munition für Schrotflinten», erklärte ihr Bunter, als sie ihn später zur Rede stellte. «Bleischrot. Die Höhe war leider nicht ausreichend, um schöne runde Kugeln hinzubekommen. Der Ehrlichkeit halber muss man wohl von Pellets sprechen.» «Aber Bunter …»
    «Die Heimwehr hat am Ort neun Schrotflinten zur Verfügung, Mylady, aber nicht annähernd genügend Munition. Ich hatte gehofft, dem Mangel abzuhelfen.» «Aber Bunter, verstoßen Geschosse aus Blei nicht gegen die Genfer Konvention?» «Dumdumgeschosse, Mylady, ja.» «Erklären Sie mir den Unterschied.»
    «Bleischrot ist sehr klein, Mylady. Er dringt ein, ohne beim Auftreffen zu zerspringen, und kann daher die wirklich schweren Verwundungen nicht verursachen.» «Und Ihre hausgemachten Pellets werden auch nicht zerspringen?»
    «Wir haben es nicht mit einem sportlichen Wettbewerb zu tun, Mylady.»

    Durch den eisigen Winter und das Gefühl der Krise, von dem der Umzug nach Talboys begleitet gewe sen war, hatte sich der Mittelpunkt des Hauses auf Dauer verlagert. Jetzt, wo der junge Frühling es möglich machte, die Fenster offen zu lassen, und das Sonnenlicht dem Wohnzimmer sogar ohne ein Feuer im Kamin eine gewisse Gemütlichkeit verlieh, sah Harriet eigentlich keinen Grund mehr, warum Erwachsene wie Kinder noch immer dem langen Küchentisch aus gescheuerter Kiefer und der tief sitzenden Angewohnheit, Mrs. Trapp im Weg zu sein, verfallen waren. Aber so war es nun einmal. Oft war Mrs. Trapp in Sorge um den täglichen Speiseplan. Und öfter konnte Mrs. Ruddle angetroffen werden, die ‹nur mal reinschaute› zum Schwatzen, auf eine Tasse Tee, weil sie irgendetwas schnorren wollte, oder – das musste gerechterweise zugegeben werden – um ihre Hilfe bei diesem oder jenem anzubieten.
    «Wenn noch mal so ein Luftalarm kommt, sieht's aber anders aus», hörte Harriet sie eines Morgens zu Bunter sagen. «Wobei ich von den Methodisten rede. So schön hat mein Bert die Höhle hergerichtet. Wir werden's haben wie der Mops im Paletot.» «Sie sagen es, Mrs. Ruddle», bemerkte Bunter. «Wenn Sie mir nicht noch ein oder zwei Karnickel schießen,

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