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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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den Streich selbst eingefädelt.
    » Mommy, schau! « Johnny kam auf Elizabeth zugerannt und schwenkte seine haarige Beute. Sie fing den Kleinen mitten im Lauf und wirbelte ihn herum. Dabei war sie sich der Blicke der Männer bewusst. Das Unterkleid klebte ihr nass am Körper, aber darüber trug sie eine formlose lange Bluse aus dunklem Kaliko, die ihre Gestalt ausreichend verhüllte. Seit dem blutigen Zwischenfall in der Nachbarbucht war sie darauf bedacht, sich immer ausreichend zu bedecken. Sie wusste, dass Duncans Männer sich niemals mehr herausnehmen würden als den einen oder anderen verstohlenen Blick, aber unter den Holzfällern, die regelmäßig in die Bucht kamen, gab es ein paar zweifelhafte Gesellen, die schon das Auftauchen einer Frau als halbe Einladung betrachteten. Dasselbe galt für die Seeleute, die nach jeder erdenklichen Art von Zerstreuung hungerten, wenn ihre Schiffe nach wochenlangen, entbehrungsreichen Überfahrten in der Bucht vor Anker gingen. Elizabeth, die mittlerweile gelernt hatte, auf jedes noch so kleine Zeichen übermäßigen männlichen Interesses zu achten, war wild entschlossen, das Schicksal nicht noch einmal herauszufordern.
    Sie stellte den Kleinen wieder auf die Füße und wandte sich zu Oleg und Jerry um.
    » Was ist los? Worüber wollt ihr mit mir reden? «
    » Es ist wegen Miss Deirdre und Pater Edmond « , platzte Jerry heraus. » Kann sein, dass es ein schwerer Fehler von den beiden war, zu dem Indianerdorf zu gehen. «
    Elizabeth versuchte, sich ihr jähes Erschrecken nicht anmerken zu lassen. Ruhig hob sie Johnny hoch, der wie ein kleiner Derwisch um sie herumrannte. Er zappelte ein bisschen, hielt dann aber still und legte die Ärmchen um ihren Hals. Kichernd drückte er seine Nase gegen ihre Wange.
    » Du bist ganz nass, Mommy. «
    » Ich war im Wasser, mein Schatz. « Zu Jerry sagte sie: » Heraus mit der Sprache. «
    » Wir glauben, dass Deirdre bei den Indianern nicht sicher ist. Oleg hatte es in der Nase, dass da vielleicht was nicht stimmt. Eben haben wir das Mädchen gefragt. « Jerry deutete über die Schulter zur Blockhütte, wo Zena immer noch mit angezogenen Knien auf der obersten Verandastufe hockte. » Sie sagt, der Kerl wohnt in dem Dorf. «
    » Welcher Kerl? «
    » Da war mal ein Indianer hier, der war scharf auf Miss Deirdre und wollte sie kaufen. Oleg hat es verhindert. «
    » Du meinst, die Indianer könnten Deirdre und Pater Edmond vielleicht gegen ihren Willen im Dorf festhalten? «
    » Ja, das glaube ich. Vielmehr glaubt Oleg es, und weil er es glaubt, tu ich es auch. « Jerry senkte die Stimme. » Wobei es natürlich auch schlimmer sein könnte, Ihr wisst schon. « Den Rest behielt er mit vielsagender Miene für sich, doch Elizabeth hatte keine Schwierigkeiten, sich vorzustellen, was gemeint war. Angst stieg in ihr auf. Schon die ganze Zeit hatte sie ein ungutes Gefühl gehabt, seit sie den Zettel gelesen hatte. In ungelenk gemalten Kinderbuchstaben und mangelhafter Orthografie hatte Deirdre ihr mitgeteilt, dass sie und Edmond die Wilden nicht nur vor dem Colonel warnen, sondern auch gleich ein paar Tage dort bleiben würden, weil Edmond das tun wollte, was er schon lange vorgehabt hatte– missionieren. » Ich gehe mit, weil er mich braucht « , hatte der letzte Satz der Botschaft gelautet.
    Elizabeth hatte sich eingeredet, dass schon alles gut ausgehen und Deirdre zurück sein würde, bevor der Colonel sich mit seinem Trupp in den Dschungel aufmachte.
    » Was hat sie sich nur dabei gedacht? « , entfuhr es ihr. Dabei war es nicht sonderlich schwierig, es sich vorzustellen. Vermutlich hatten die beiden geplant, mit den Indianern weiterzuziehen, zu einer anderen, sicheren Lagerstätte, und dass hernach Edmond, gestärkt durch das Ansehen, das ihm durch seinen selbstlosen Einsatz als Retter des ganzen Dorfs zuteilgeworden wäre, bei den Indianern ein offenes Ohr für seine Predigten finden würde.
    Elizabeth hatte selbst darauf vertraut, dass es auf diese Weise ablaufen würde, sonst hätte sie ganz bestimmt nicht tatenlos zwei Tage gewartet. Geistesabwesend stellte sie Johnny wieder ab.
    » Lauf zu Zena und geh mit ihr zum Küchenhaus. Sie soll dir ein Stück Ananas geben. «
    Der Kleine war sofort angetan von diesem Vorschlag und stürmte los. Die Perücke hatte er fallen lassen, sie trieb wie ein ersäuftes Tier im Wasser. Miss Jane, die der Unterhaltung stumm gefolgt war, fischte das Ding vorsichtig heraus und strich die triefenden Strähnen

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