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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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wusste, nach und nach versiegen. So war es immer, wenn ein Kind eine Amme bekam.
    » Faith « , murmelte Zena und küsste das Baby sanft auf die Stirn und die weichen kleinen Wangen. » Faith. « Mittlerweile konnte sie den Namen aussprechen, genauso wie Mylady Lizzie es tat, mit diesem ungewohnten Laut am Ende, der in vielen Worten der Weißen vorkam. Die Franzosen kannten diesen Laut nicht, aber dafür benutzten sie andere, die nicht minder seltsam klangen. Das Französische verstand Zena weit besser als die englische Sprache. Sie hatte es einst bei Pater Raymond gelernt. Er hatte ihr und ein paar anderen Kindern Gebete beigebracht und nebenher die Worte aufgeschrieben, die die Kinder ihm erklärten. Meer. Wald. Baum. Mann. Kind. Häuptling. Er hatte alles wissen wollen und es gewissenhaft in ein Buch notiert, mit dem kratzenden Kiel einer Gänsefeder. Er hatte sie beobachtet, unauffällig und freundlich, und nie hatte er vergessen, kleine Geschenke mitzubringen, denn damit erhielt er sich das Wohlwollen der Ältesten und des Kaziken. Eines Tages war er weggegangen, zurück auf die Insel, von der er gekommen war. Ein anderer Priester hatte seine Stelle eingenommen, doch auch der war inzwischen wieder fort. Nun wollte der Weiße namens Edmond die Menschen im Wald besuchen. Auch er war Priester, wie Zena mittlerweile wusste. Er hatte mit ihr gesprochen und neue Wörter von ihr gelernt, und umgekehrt hatte auch sie die Bedeutung vieler englischer Wörter erfahren.
    Miss Jane hatte gemeint, die Indianer würden Edmond wohlwollend aufnehmen, da sie schon zu dem französischen Priester freundlich gewesen seien, und Mylady hatte gesagt, wie froh sie sei, dass Edmond die Indianer vor dem Colonel warne, denn sonst hätte sie einen ihrer Männer losgeschickt, um diese Aufgabe zu übernehmen. Es passte ihr jedoch nicht, dass Deirdre einfach mitgegangen war und vor ihrem Aufbruch lediglich einen Zettel hinterlassen hatte. Deirdre war eine freie Frau und konnte gehen, wohin sie wollte, aber Mylady Lizzie machte sich dennoch große Sorgen um sie.
    Es hatte eine Weile gedauert, bis Zena sich alles zusammengereimt hatte, aber Miss Jane und Mylady Lizzie hatten in den beiden vergangenen Tagen häufiger darüber gesprochen, und allmählich war Zena klar geworden, was los war. Der Colonel wollte mit einem Haufen Männer zum Dorf der Indianer gehen und sie bestrafen. Für den Tod eines Soldaten sowie der beiden Männer, die in Wahrheit Mylady und Zena umgebracht hatten. Der Soldat war durch die Hand eines Indianers gestorben, das wusste Zena, aber es war kein hinterhältiger Angriff gewesen, sondern Notwehr. Der Soldat hatte versucht, die Frau des Indianers mit Gewalt zu nehmen. Dieser hatte nur sein Weib schützen wollen. Vor ein paar Tagen waren Kanuten da gewesen, um frisch gegerbte Häute und Kalebassen zu bringen. Sie hatten Zena vom Tod des Soldaten erzählt. Der Colonel hatte kein Recht, deswegen über die Indianer herzufallen, schon gar nicht in dem Dorf, das er sich für seine Rache ausgesucht hatte, denn der Mann, der den Soldaten getötet hatte, stammte nicht von dort, sondern aus einem Dorf weiter im Süden, das näher bei der Festung lag. Aber Zena wusste, dass es dem Colonel nicht darum ging, die wirklichen Täter zu bestrafen, denn für ihn waren alle Indianer schuldig. Er wollte einfach so viele wie möglich umbringen. Vielleicht hatte er sich aber auch dieses Dorf ausgesucht, weil es dort schwarze Sklaven gab. Mylady hatte diese Vermutung geäußert. Sie hatte gemeint, dass der Colonel die Schwarzen noch mehr hasste als die Indianer.
    Im Dorf lebten zwei schwarze Männer, Zena hatte sie gesehen, bevor sie fortgegangen war. Diese Schwarzen waren vor einer Weile mit den fremden Indianern gekommen, von denen einer sofort die Herrschaft im Dorf an sich gerissen hatte, nachdem der alte Kazike auf der Jagd von einem wilden Eber getötet worden war. Die übrigen Männer des Dorfs hatten ihn als ihren neuen Anführer anerkannt, denn er war stärker und schneller als alle anderen und traf mit seiner Armbrust, die er von seiner Heimatinsel mitgebracht hatte, jedes Ziel, weshalb er ein Anrecht darauf hatte, der neue Führer des Stamms zu werden.
    Er hatte Zena mit Begehren angeblickt, und vielleicht hätte er sie zum Weib erwählt, doch dann hatte sie das Dorf verlassen, weil ihr Leib anzuschwellen begann. Dennoch hatte der Kazike ihr gefallen, und sie hatte sogar überlegt, ob er sich über ihre Rückkehr freuen würde. Später

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