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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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und Yvette sprachen gut Englisch, weshalb die Verständigung kein Problem war. Mit den wenigen Brocken Französisch, die Elizabeth beherrschte, wäre sie auf der Insel nicht weit gekommen.
    An manchen Abenden spielte Yvette auf dem Virginal und sang dazu. Als sie erfuhr, dass Elizabeth das Instrument ebenfalls beherrschte, bestand sie darauf, dass diese ihr gesamtes Repertoire zum Besten gab, und schlug anschließend vor, dass sie sich gegenseitig alle Stücke beibringen sollten, die sie kannten.
    » Nicht so schnell! « , rief sie, wenn Elizabeth ihr einzelne Lieder vorspielte. » Sonst kann ich die Noten nicht mitschreiben! «
    In mancherlei Hinsicht war Yvette wie ein Kind, leicht zu begeistern und neugierig, aber auch sprunghaft und mit der Neigung zum Schmollen, wenn ihr etwas missfiel. Ihre Dünkelhaftigkeit kannte keine Grenzen, weshalb sie, als sie gehört hatte, dass Elizabeth dem englischen Hochadel entstammte, augenblicklich darauf bestanden hatte, ihr Obdach zu gewähren. Allerdings beruhte ihr Standesdenken weniger auf Hochmut oder Oberflächlichkeit, sondern war schlicht ihrer Erziehung geschuldet. Von klein auf verhätschelt und von Dienerschaft umgeben, hatte sie zeitlebens nie einen Finger rühren müssen. Gleichwohl war sie mit natürlicher Herzlichkeit gesegnet und verhielt sich den Sklaven gegenüber ebenso großmütig wie ihr Mann. Sie ließ den Kindern der Arbeiter regelmäßig Naschwerk zukommen und bedachte die Frauen mit Seidenbändern, Glasperlen und anderem Tand.
    » Jeder Mensch hat im Leben ab und zu eine kleine Freude verdient « , erklärte sie Elizabeth, als sie wieder einmal einen Diener mit den milden Gaben zu den Hütten der Arbeiter schickte.
    In ihrer Art erinnerte sie Elizabeth an die bunten Kolibris, die wie kostbare kleine Edelsteine zwischen den wild blühenden Orchideen hinterm Haus herumschwirrten.
    Wenn sie abends nach dem Essen zu dritt auf der Veranda beisammensaßen, sprachen sie über Gott und die Welt. Yvette wollte alles über Elizabeths Leben erfahren, sie bestürmte sie mit tausend Fragen.
    » Mon Dieu! « , rief sie ein ums andere Mal aus, als Elizabeth die Geschehnisse während des Aufstands auf Barbados schilderte. Immer wieder musste sie erzählen, wie sie Harold niedergeschossen hatte. Yvette wollte die Waffe unbedingt sehen, und als Elizabeth sie aus ihrer Kammer holte, gab Yvette einen spitzen Schrei von sich und musste sich Luft zufächeln.
    Nachdem sie sich ein wenig mit Henri und Yvette angefreundet hatte, schenkte sie ihnen auch reinen Wein darüber ein, warum sie von Dominica hatte fliehen müssen.
    » Wir wären gern dort geblieben, wenn dieser schreckliche, grausame Kommandant nicht gewesen wäre « , erzählte sie. » Nach allem, was geschehen war, konnten wir unseres Lebens nicht mehr sicher sein. « Sie schilderte die Augenblicke des Schreckens, als Howards Männer auf sie geschossen hatten. » Ich möchte gar nicht wissen, was er den armen Indianern angetan hat! «
    Yvette saß gerade aufgerichtet auf ihrem Stuhl, die Augen funkelnd vor Entsetzen und Neugierde. Immer wieder wollte sie Einzelheiten hören, die sie dann jedoch derart aus der Fassung brachten, dass sie ihr Riechsalz holen musste.
    Zu Elizabeths Erstaunen hatte Henri bereits von der Strafexpedition gehört. Nur wenige Tage vor ihrer Unterhaltung war ein Handelsschiff vor Anker gegangen, das von Dominica kam. Der Kapitän hatte dort tags zuvor Frischwasser aufgenommen und dabei von einem Massaker an den Indianern gehört. Er habe, so hatte er Henri erzählt, den Anführer Arthur Howard persönlich kennengelernt, der sich damit gebrüstet habe, Dutzende Wilde abgeschlachtet zu haben, viele davon eigenhändig. Der Kapitän hatte einige Fragen gestellt und war dabei zu der Überzeugung gelangt, dass der Mann kein wirklicher Offizier, sondern ein Betrüger sei– eine Ansicht, die Henri teilte.
    » Niemand hat diesen Arthur Howard ermächtigt, auf Dominica eine Festung zu bemannen und die Eingeborenen in Angst und Schrecken zu versetzen « , sagte er zu Elizabeth. » Im Gegenteil– Frankreich ist mit England übereingekommen, dass die Insel den Kariben überlassen werden soll. Irgendwo müssen sie ja hin. « Er vollführte eine ausholende Geste und schloss damit die gesamte Karibik ein. » Auf den von Weißen besiedelten Antilleninseln werden sie über kurz oder lang vertrieben. Zu Zeiten meines Vaters hat es hier blutige Kämpfe mit den Indianern gegeben. Jetzt haben wir Frieden, aber nur

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