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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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ein bisschen Zeit.
    Als Elizabeth sich nach der Amme umsah, bemerkte sie, dass William ein wenig verloren abseitsstand, mit einem Gesichtsausdruck, der widerstreitende Gefühle offenbarte. Einesteils wirkte er erleichtert über Duncans Rückkehr und schien sich mit ihnen zu freuen, andererseits meinte Elizabeth auch, eine Spur von Niedergeschlagenheit bei ihm auszumachen. Als ihre Blicke sich trafen, kam er rasch herüber, um Duncan kameradschaftlich auf die Schulter zu klopfen.
    » Dem Himmel sei Dank, dass du lebst, alter Freund! « Bei diesen Worten drückte seine Miene nichts als Aufrichtigkeit aus, doch sein Überschwang hielt sich in Grenzen.
    Nur wenig später geriet er jedoch vor Begeisterung außer sich, nachdem John Evers mit dem Beiboot zur Elise hinausgerudert war und kurz darauf ohne Vorankündigung mit Anne und Felicity zurückkam. Duncan grinste über die gelungene Überraschung, als Elizabeth fassungslos zu dem näher kommenden Boot hinüberstarrte. Sie drückte Faith der Amme in die Arme und folgte William, der vorausgelaufen war, zum Steg.
    » Felicity! « , schrie sie. » Anne! «
    Felicity wäre fast über Bord gegangen, weil sie so abrupt aufsprang, dass sie kaum ihr Gleichgewicht halten konnte. Sobald sie den Fuß an Land gesetzt hatte, kam sie völlig aufgelöst in Elizabeths Arme gestürzt und erdrückte sie beinahe.
    » Oh mein Gott! « , weinte sie laut. » Oh Lizzie! Du ahnst nicht, wie froh ich bin! Wie lange habe ich auf diesen Augenblick gewartet! Ich habe dich so unendlich vermisst! «
    Auch Anne drückte Elizabeth sichtlich bewegt an sich, nachdem sie sich aus der innigen Umarmung ihres Bruders gelöst hatte.
    Als endlich alle Freudentränen vergossen waren und die Gemüter sich ein wenig beruhigt hatten, begaben sich alle zum Haus der Perriers, wo Yvette, einem aufgeregten Schmetterling gleich, einherflatterte und das Gesinde herumscheuchte, bis Unmengen an Essbarem auf dem Tisch standen und alle Gläser gefüllt waren. Die gemeinsame Mahlzeit wurde zu einer lärmenden, munteren Angelegenheit. Es gab von allen Seiten viel zu erzählen, dafür sorgte schon Yvette, deren unaufhörlicher Redestrom überwiegend aus Fragen bestand. Bei all den hin und her fliegenden, in fröhlichem Ton gehaltenen Berichten und Kommentaren merkte Elizabeth jedoch, dass vieles von dem, was im Laufe des letzten halben Jahres geschehen war, unausgesprochen blieb. Annes Miene etwa spiegelte einen Hauch von Düsternis wider, und denselben Eindruck hatte Elizabeth von Felicity. Obwohl beide Frauen häufig lachten, schienen sie nicht völlig glücklich.
    Um Duncans Mund lag trotz aller offen bekundeten Freude ein Zug von Leid, der ahnen ließ, wie viel er durchgemacht hatte. Über seine Verletzung und seine Zeit im Gefängnis hatte er nur wenige Sätze verloren, wobei seine ebenso knappe wie launige Zusammenfassung höchstens dazu angetan war, dem Ganzen einen komischen Anstrich zu verleihen, so als wollte er nicht, dass jemand ihn bemitleidete oder sich sein Schicksal zu Herzen nahm.
    » Da hat mich jemand mit einem ziemlich harten Knüppel ins Land der Träume befördert « , sagte er etwa, als Yvette ihn nach seiner Kopfverletzung fragte, und an anderer Stelle der Unterhaltung bemerkte er lakonisch: » In Newgate sind alle wie eine einzige große Familie– was kein Wunder ist, denn alle schlafen im selben Bett. «
    Er war frisch rasiert und hatte noch an Bord der Elise saubere Kleidung angelegt, und überhaupt machte er einen gesunden, gepflegten Eindruck. Elizabeth hatte jedoch schon bei der Begrüßung gemerkt, dass er an Gewicht verloren hatte. Er war sehnig und kräftig wie immer, aber die Muskeln, die sonst seinen Körper stämmig und massig gemacht hatten, waren weniger ausgeprägt als früher.
    Williams Stimmung war von Anfang an verhalten, auch wenn er versuchte, dem lockeren Unterhaltungston zu entsprechen, der allseitig angeschlagen wurde.
    Anne und Felicity erhielten Quartier in einer Gesindehütte, und für Duncan wurde ein zusätzlicher Hammock in Elizabeths Kammer aufgehängt. Zu seinem und Elizabeths Leidwesen gab es für sie beide vorerst keine Gelegenheit zum Alleinsein.
    Am frühen Abend, als sie zusammen auf der Veranda saßen und Rumpunsch tranken, überraschte William sie mit der Ankündigung, am kommenden Tag nach Barbados zurückkehren zu wollen.
    » Aber Mylord! « , rief Yvette aus. » Das müsst Ihr nicht! Ihr seid so lange unser Gast, wie Ihr es wünscht. «
    » Betrachtet mein Haus

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