Wind der Gezeiten - Roman
als das Eure « , stimmte Henri entschieden zu.
» Ich kann die Plantage unmöglich länger ohne Aufsicht lassen « , erklärte William. » Jeder Tag, den ich fernbleibe, ist vertane Zeit. «
Felicity protestierte ebenfalls, denn die Aussicht, sich von Anne trennen zu müssen, entsetzte sie. In den letzten Monaten war Anne ihr so sehr ans Herz gewachsen, dass sie sich ein Leben ohne die Freundin nicht vorstellen wollte.
» Aber ihr könnt doch noch bleiben! Wenigstens ein paar Tage. «
» Warum? Ich bin hierhergekommen, um Elizabeth und die Kinder zu holen. Doch nun ist Duncan hier und kann selbst für seine Familie sorgen. « Williams Stimme war frei von Bitterkeit, aber niemand konnte übersehen, dass er sich fehl am Platz fühlte. Der Grund dafür war nicht schwer zu erraten. Elizabeth und Duncan saßen Seite an Seite und boten ein Bild überbordenden Glücks. Immer wieder stahlen ihre Hände sich zueinander hin, dauernd suchte einer des anderen Blick.
Anne ließ ein Seufzen hören.
» Ich stimme William zu, Felicity. Ich möchte ebenfalls zurück nach Barbados. So schwer es für mich ist, euch alle schon wieder verlassen zu müssen– es zieht mich nach Hause. Ich will heim nach Summer Hill. « Sie umfasste Felicitys Hand. » Du kannst mit mir kommen, wenn du magst. «
» Oh, aber du weißt, dass das nicht geht! « Felicitys Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, ihr hübsches, herzförmiges Gesicht war eine einzige Anklage. » Ich kann dort nicht hin, weil auch Niklas nicht hinkann, wegen dieses schrecklichen, dummen Krieges. «
» Der ist irgendwann vorbei. Es wird sicher nicht mehr lange dauern. Dann kommst du uns besuchen. «
» Mademoiselle, bitte grämt Euch nicht! « , warf Henri ein. Er betrachtete Felicity mitfühlend. » Bei uns könnt Ihr so lange bleiben, wie Ihr möchtet. Hier seid Ihr sicher vor dem Krieg. Ich werde persönlich dafür sorgen, dass Euch kein Leid geschieht. Wenn Ihr wollt, senden wir eine Botschaft nach St. Eustatius, dort lebt ein früherer Kontorist von mir. Sobald dieser Westindienfahrer– wie hieß er noch…? «
» Niklas. «
» Nein, ich meinte das Schiff. « Henri lachte nachsichtig.
» Eindhoven « , sagte Felicity. » Sein Schiff heißt Eindhoven, so wie eine holländische Stadt. «
» Nun, sobald die Eindhoven dort wieder einmal vor Anker geht, wird dem Kapitän die Botschaft übermittelt, und dann weiß er, wo er Euch finden kann. «
» Das halte ich für eine ausgezeichnete Idee « , sagte Duncan zu Felicity. » Mir behagt der Gedanke nicht, dich auf einer Insel abzusetzen, wo du niemanden kennst und wo niemand dich beschützen kann. «
» Zumal es auf St. Eustatius wirklich noch recht urtümlich zugehen soll « , führte Henri aus. » Während hier auf Basse-Terre doch alles schon sehr zivilisiert und kultiviert ist. «
Felicity blickte unwillkürlich die Straße hinab, die vor der Veranda am Haus vorbeiführte und kaum mehr als ein holpriger Pfad war, gerade breit genug für ein Fuhrwerk. Es dämmerte bereits, aber die ungefügen Holzhäuser rechts und links des Weges waren noch gut zu erkennen. Aus Ziegeln erbaut waren nur die Kirche und die Gouverneursresidenz, in ihrer Bauweise in etwa so nobel wie die Kasernen und Munitionsdepots auf Barbados. Das Haus der Perriers war mit Abstand die anspruchsvollste Unterkunft auf der Insel– es verfügte über einen Salon, eine breite, überdachte Veranda und drei Schlafkammern–, doch von seinen Gesamtmaßen her hätte es zweimal in den großen Saal von Dunmore Hall gepasst. Außerdem täuschte auch der überall von Yvette verteilte Zierrat nicht darüber hinweg, dass das Haus aus unbehauenen Stämmen zusammengezimmert war und nach dem Pech stank, mit dem die Ritzen ausgefugt waren. Wenn nicht gerade andere Gerüche den Vorrang beanspruchten: Direkt hinterm Haus befanden sich Latrinen und ein Schweinekoben. Wie mochten die Verhältnisse da erst auf St. Eustatius oder den anderen niederländischen Antilleninseln sein?
Elizabeth erriet Felicitys Gedanken.
» Duncan hat recht. Bleib hier bei mir! « Bittend sah sie ihre Cousine an. » Ich würde mich so freuen! «
» Meinst du wirklich? « , fragte Felicity. Es klang verzagt, doch in ihrem Blick lag eine Andeutung von Ergebenheit.
» Wirklich! « , sagten Elizabeth und Duncan einstimmig.
» Wirklich « , kam es als kräftiges Echo von Henri.
» Nun ja, wenn ihr alle es sagt… « Ein hoffnungsvoller Unterton schlich sich in Felicitys Stimme. » Vielleicht
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