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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Aufseher, der über die verarbeitete Menge Bericht erstattete und ihn davon unterrichtete, dass ein paar der Macheten durch Scharten unbrauchbar geworden waren.
    » Wir müssen sie öfter schleifen « , sagte der Mann. » Und wir könnten ein paar zusätzliche gebrauchen, als Reserve. «
    » Ich gebe beim Schmied welche in Auftrag « , sagte William. Nachdenklich betrachtete er die Arbeiter, die Bündel um Bündel der abgeernteten Rohre bei der Mühle abluden. Am Nachmittag erwartete er weiteres Rohr von der Nachbarplantage. Rainbow Falls, das jetzt ebenfalls seiner Verwaltung unterstand, war sogar noch größer als Summer Hill, aber die Zuckermühle dort war im vergangenen Jahr von aufständischen Sklaven zerstört worden, weshalb William das geerntete Rohr zum Pressen herholen ließ.
    » Wir brauchen bald eine zweite Mühle « , sagte er zu dem Aufseher.
    » Die solltet Ihr besser nicht bei dem Schmied in Auftrag geben « , meinte der Aufseher. » Auf Messing versteht er sich nicht. Bestellt sie lieber dort, wo Ihr auch diese herhabt. « Er deutete auf die Walzen des Mahlwerks, dessen Zahnräder mit präziser Wirksamkeit ineinandergriffen, das Beste an Technik, das derzeit auf der Insel im Einsatz war.
    William seufzte verhalten. Das Mahlwerk hatte Duncan Haynes ihm beschafft. Es stammte aus London, so wie manches andere auch, was auf Barbados nicht hergestellt werden konnte. Duncan hatte schon viele nützliche und wertvolle Güter aus Europa auf die Insel gebracht, und William hatte einiges davon erworben. Die Lüster und Kandelaber, die früher den Salon seiner Mutter geziert hatten. Den Teppich in der Schlafkammer seiner Schwester. Ballen von Seide und Tuch. Silbernes Tafelbesteck. Das Gemälde und den Globus in seinem Arbeitszimmer.
    Das alles gab es nicht mehr, es war mit dem Herrenhaus in Flammen aufgegangen. William verzog ein wenig angestrengt das Gesicht, als er an jenen unseligen Tag zurückdachte. Das Haus konnte er wieder aufbauen, in ein paar Wochen würde es fertig sein, doch nichts konnte seine Mutter wieder lebendig machen. Harold Dunmores schwarze Seele würde auf ewig dafür in der Hölle schmoren, aber immer wenn William sich daran erinnerte, wie er seine Mutter in ihrem Blut liegend gefunden hatte, spürte er wieder den ohnmächtigen Hass in sich, der durch Dunmores Tod nicht vergangen war.
    Wenn er sich abends das Hemd auszog, vermied er es sorgfältig, die Stelle an seiner Brust zu berühren, wo Dunmores Kugel ihn getroffen und ihm um ein Haar das Lebenslicht ausgeblasen hatte. Aber damit konnte er die Albträume nicht verhindern, in denen er wieder und wieder erlebte, wie er mit der Kugel zwischen den Rippen auf dem Boden gelegen hatte. Inmitten von Rauch und glühenden Flammen beugte der verdammte Mörder sich über ihn und trat ihn in die Seite, bis William endlich erwachte und hochfuhr, die Brust zusammengepresst von quälender Atemnot.
    Vorbei, dachte er verbissen. Es ist vorbei! Ich habe überlebt, und er ist tot und begraben!
    Er stolperte über einen Stein und merkte erst jetzt, dass er das Gelände um die Zuckermühle verlassen und den Weg zum Herrenhaus eingeschlagen hatte. Die Baustelle war von einem Gerüst umgeben, auf dem die Handwerker arbeiteten. Das zweite Stockwerk wuchs Ziegel um Ziegel in die Höhe. Es würde, wenn es fertig war, dem alten Haus ähneln. Ein weiß verputztes, elegantes Gebäude im griechischen Stil, mit einem säulengestützten Vordach über einer dem Meer zugewandten Veranda und einem windgeschützten Innenhof.
    Bis zur Fertigstellung des Hauses lebten er und seine Schwester in einer der Arbeiterbaracken. So wie in den frühen Jahren ihrer Kindheit, als sie mit ihren Eltern von England auf die Insel gekommen waren. Damals, als die ersten Pflanzer im Schweiße ihres Angesichts ein paar wenige Felder gerodet hatten, war der Reichtum aus dem Zuckeranbau noch ferne Zukunftsmusik gewesen. Zu jener Zeit war eine Blockhütte ihr Zuhause gewesen, und sie hatten in Hammocks geschlafen, um nicht von den roten Ameisen gebissen zu werden, die in Scharen aus dem Dschungel kamen. Gegen die Wolken von Moskitos hatten sie nachts Schwelfeuer entfacht, von denen sich die Augen entzündet hatten.
    Es machte William nicht viel aus, vorübergehend wieder in einer Hütte zu schlafen, doch es belastete ihn, wie sehr Anne darunter litt. Seine Schwester war seit den grauenhaften Geschehnissen des letzten Jahres nicht mehr dieselbe. In sich gekehrt und lethargisch saß sie die

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