Wind der Traumzeit (German Edition)
Fenster. »Hm, schwer zu sagen. Aber ganz ehrlich, so schlimm war Cameron noch nie in Bedrängnis, und ich bin jetzt schon über zwanzig Jahre hier.« Tom streckte die Beine von sich, so weit dies möglich war, und seufzte. »Hoffen wir das Beste!« Er rieb sich die Stirn. »O Mann, ich hab Nora so in dem Gefühl der Sicherheit gelassen, dass nichts passieren wird, dass ich gar nicht weiß, wie ich da wieder rauskommen soll, wenn wir nun womöglich doch noch evakuiert werden.«
Lisa sah in den trüben Himmel. »Vielleicht gibt’s ja endlich Regen. Und Tom, sollte das mit der Evakuierung ernst werden, dann kommt ihr zu uns. Wir sind für euch da. Seit Steve und Tim in Sydney studieren, ist es sowieso viel zu still bei uns. Wir freuen uns immer über Leben im Haus.«
Tom grinste. »Aber gleich so viel Leben?« Lisa musste über seinen Galgenhumor lachen. »Ach Tom! Du weißt, wie sehr wir die Kinder lieben. Wir sind Freunde, und sollte es tatsächlich gefährlich für Cameron werden, wäre es schön, wenn ihr zu uns kommen würdet.«
»Danke, Lisa. Trotzdem hoffe ich, dass das nicht notwendig werden wird. Ehrlich gesagt schmerzt mich schon der bloße Gedanke daran, dass unser Haus in Gefahr sein könnte. Mann, gerade erst ist alles richtig fertig geworden nach diesem Umbau. Ich darf gar nicht dran denken …«
»Vielleicht gibt’s ja noch Regen. Dann hast du dir umsonst Sorgen gemacht.«
Er sah missmutig nach draußen. »Hoffentlich!«
Sie schwiegen beide eine Weile und wandten sich dann wieder den Patientën-Akten für die Sprechstunde zu. Wudima hatte schweigend zugehört. Ihre dunklen glänzenden Augen wanderten von Tom und Lisa nach draußen und schienen den Himmel und seine Wolkenformationen zu beurteilen. Eine gute Stunde später landete das Flugzeug auf der staubigen Piste vor der Siedlung. Ein Wagen stand abseits der Landebahn, setzte sich in Bewegung und hielt gleich darauf neben dem Flugzeug. Tom, der Wudima beim Aussteigen half, bemerkte verblüfft, dass neben dem kräftigen jungen Fahrer auch Marrindi im Auto saß. Es kostete den alten Mann einige Mühe, das Fahrzeug zu verlassen. Doch trotz seiner zunehmenden Gebrechlichkeit strahlte er — auch auf seinen Stock gestützt – immer noch ein solches Maß an Würde und Stolz aus, das Tom wieder einmal Respekt abnötigte. Er schätzte den alten Schamanen sehr. Phil tippte auf seine Armbanduhr und Tom nickte ihm zu, bevor er auf Marrindi zuging und ihn freundlich begrüßte.
»Wie geht es dir, Marrindi? Es ist schön, dich zu sehen.« Der Alte erwiderte den Gruß und nickte Wudima zu, der gleich darauf in den Wagen geholfen wurde. Tom stand noch ein wenig unschlüssig bei Marrindi. »Kann ich etwas für dich tun? Ist bei euch in der Siedlung alles in Ordnung?«
»Es geht mir gut, Tom. Und den anderen hier auch.« Er sah aufmerksam zum Himmel. Tom war seinem Blick gefolgt und musterte den Alten neugierig. Scherzhaft fragte er: »Wie sieht’s denn aus? Kriegen wir in Cameron Downs endlich Regen?« Er zwinkerte vielsagend. »Kannst du nicht ein wenig nachhelfen?« Marrindi schaute ihn ernst an. »Ich hatte gehofft, dass du den Flug begleitest, Tom.« Sein Blick ging zu Phil, der erneut mahnend auf die Uhr zeigte. »Aber ihr habt es eilig. Euer Pilot drängt schon, also geh nur, Tom.« Er gab ihm die Hand und hielt sie eine Sekunde länger fest, als nötig gewesen wäre. »Passt gut auf euch auf, Tom.«
Tom winkte Wudima und dem Fahrer zum Abschied, ging dann zum Flugzeug, stieg ein und zog die Türen zu. Durch das Fenster sah er Marrindi neben dem Auto stehen. Er schaute immer noch unverwandt herüber. Tom nahm Platz, schnallte sich an und starrte in Gedanken versunken hinaus, während die Maschine zügig über die Piste donnerte und sich in den Himmel erhob. Was hatte Marrindi ihm sagen wollen? Warum war er zur Landebahn gekommen? Er war noch nie dort gewesen. Warum also gerade heute? Warum hatte er auf ihn gehofft? Tom sorgte sich um den alten Mann. Hatte dieser sich verabschieden wollen? Wieder einmal fühlte Tom sich verunsichert. Ärgerlich über dieses Gefühl, schob er die Gedanken an Marrindi und die Siedlung beiseite und griff nach der Mappe mit den Unterlagen für die kommende Sprechstunde.
Nora registrierte den dunklen Himmel und roch den Qualm, den der Wind unbeirrt herantrug. Sie stand auf der Veranda und sah sich um. Von drinnen drang der Klang des Radios gedämpft nach draußen. Das Gerät blieb seit Tagen an, und Nora hatte die
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