Wind des Südens
nach Brisbane. Sie würde sich einen Anwalt nehmen, der sie hinsichtlich der Scheidung beraten und ihr sagen könnte, wie Clive gezwungen werden könnte, sie finanziell zu unterstützen, wenngleich sie bezweifelte, dass er ihr auch nur einen Penny geben würde. Wenn nötig, würde sie selbst für ihren Unterhalt aufkommen. Sie war sechsundzwanzig und hatte Berufserfahrung … Lehrerin könnte sie werden, und sie hatte bewiesen, dass sie eine ausgezeichnete Verkäuferin war. Beide Rollen waren eindeutig besser als ihre bisherige. Sie hatte ihn gewarnt, dass sie seine Brutalität nicht länger hinnehmen würde. Sechs Jahre waren entschieden zu viel.
»Ich war so dumm«, flüsterte sie. »Ich hätte ihn verlassen sollen, als es zum ersten Mal passiert war, aber ich hatte zu viel Angst vor dem Gerede der Leute. Jetzt ist es zu spät.«
Tränen konnte sie sich nicht gestatten. Nicht jetzt, nicht vor den Augen der Angestellten. Liebend gern hätte sie diesen Aschenbecher genommen und durchs Fenster geschleudert. Es zerschmettert. Irgendetwas entzweigeschlagen!
Emilie war so beschäftigt mit dem Gedanken, tatsächlich den Bruch herbeizuführen, und mit all den damit verbundenen strittigen Fragen, dass sie nicht Acht gegeben hatte. Als ihr dämmerte, dass die morgendliche Übelkeit keineswegs eine Folge ihrer Pläne und der damit verbundenen inneren Unruhe war, begann sie zu beten.
»Bitte, lieber Gott, nicht jetzt.«
Aber Gott, der Herr erhörte sie nicht. Stattdessen segnete er sie zum ungünstigsten aller Zeitpunkte mit einer Schwangerschaft.
Sie ging zum Schrank, entnahm ihm die letzten Kurszettel und studierte sie, um sich von ihrem Selbstmitleid abzulenken. Sie konnte jetzt nicht fort. Schwangere fanden keine Arbeit. Sie würde verhungern.
»Und er würde mich verhungern lassen«, sagte sie. »Ich muss entweder bei ihm bleiben oder verhungern. Das ist vielleicht eine Alternative!«
Eines der Mädchen klopfte an die Tür und schob den Kopf durch den Spalt.
»Der Bürgermeister, Mr. Manningtree, wünscht Sie zu sprechen.«
Mr. Manningtree? Emilie fragte sich, was er wohl von ihr wollte. Er war ein netter Mensch, etwas grobschlächtig, aber mit einem guten Herzen. Er war ihr erster Arbeitgeber in Maryborough gewesen, hatte sie als Gouvernante für seine drei Kinder eingestellt. Und das war kein reines Zuckerschlecken gewesen. Das Haus und die Umgebung waren reizend, alle waren sehr freundlich, bis auf seine Frau, eine wahre Furie. Emilie hatte es auf ihrem Posten ausgehalten, bis der Skandal um Sonny Willoughby Mrs. Manningtree endlich einen Vorwand gab, ihr zu kündigen.
Sie nahm ihn an der Tür in Empfang. »Wie schön, Sie zu sehen, Mr. Manningtree. Treten Sie ein. Möchten Sie eine Tasse Tee?«
»Nein, danke, Missy. Wie geht’s denn so? Sie sehen mir ein bisschen spitznasig aus.«
»Oh, mir geht’s gut, danke. Wie ich höre, hat Kate den ersten Preis im Klavierwettbewerb gewonnen. Sie sind bestimmt sehr stolz auf sie.«
»Bin auf alle drei Kinder stolz. Sie haben ihnen eine gute Grundlage gegeben, Missy, haben ihnen das Lernen beigebracht.« Er trat ans Fenster und spähte über die Spitzengardine hinweg, die die untere Hälfte bedeckte. »Das Geschäft läuft wie am Schnürchen, nicht wahr? Aber wissen Sie, als Ihr Gatte sein Herrenbekleidungsgeschäft eröffnete, hätte ich keinen Pfifferling dafür gegeben. Wahrscheinlich haben Sie ihn dann mit nicht gar so ausgefallener Kleidung auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.«
»Na, ich weiß nicht.« Sie lächelte.
»Aber ich, und Sie kennen mich ja, Missy: Ich rede nicht um den heißen Brei herum. Und dann haben Sie Damenbekleidung eingeführt. Und nun läuft das Geschäft blendend, wie?«
»Ja. Wir hatten Glück.«
»Und jetzt verlassen Sie uns?«
Sie seufzte. »Ja, es ist Zeit, etwas Neues anzufangen. Aber ich werde Maryborough nie vergessen. Unsere Freunde werden mir fehlen.«
Er zog sich einen hohen Hocker heran und hockte sich auf die Kante der Sitzfläche. »Sie haben noch keinen Käufer gefunden?«
»Nein.«
»Der Preis ist zu hoch.«
»Clive ist anderer Meinung.«
»Ich nicht.
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