Wind des Südens
seine Investition in jene Ladenzeile anging. Er war doch niemanden eine Erklärung schuldig! Und Emilie! Um Himmels willen, was zum Teufel faselte sie überhaupt in ihrem Brief? Ihr Anteil am Geschäft? So einen Blödsinn hatte er noch nie gehört.
Wutschnaubend trank er seinen Whisky und bestellte sich gleich einen weiteren. Wie war es überhaupt so weit gekommen? Apropos: Wo war Willoughby? War er etwa in Maryborough? Bei Emilie? War das der Grund für ihr Schlampengehabe? Wollte nichts mehr mit ihrem eigenen Ehemann zu tun haben! Er sollte auf der Stelle zurück nach Maryborough reisen, aber er hatte schon zu viele Verzögerungen hinnehmen müssen. Die Geschäfte mussten fertig gestellt und so schnell wie möglich eingerichtet werden.
Donner grollte in den Hügeln über der kleinen Stadt, und Clive schauderte. Er war ein gut aussehender Mann – distinguiert, würde man sagen. Gebildet, selbstbewusst, so hatte er bisher sein Leben ohne größere Sorgen gemeistert. Jetzt aber war er nervös und verwirrt. Emilie hatte ihn in Verwirrung gestürzt. Er wusste nicht, wie er der Lage Herr werden konnte, ohne einen Riesenskandal heraufzubeschwören. Denn wenn sie ihn tatsächlich verlassen wollte, wäre das ein entsetzlicher Skandal. Er spürte, wie ihm die Glut ins Gesicht stieg. Er würde niemals zulassen, dass sein Ruf beschmutzt wurde. Es musste etwas geschehen.
10. Kapitel
Das Krankenhaus von Cooktown lag seitlich an einen Hügel gebaut, nahezu verborgen hinter dicken Palmen und üppigem Regenwald, der entschlossen schien, das Territorium zurückzuerobern.
Raymond sah Joseph, dem Gärtner, gern bei der Arbeit zu, und die trockenen Kommentare des Burschen interessierten ihn. »Zu Hause in England habe ich gepflanzt und gepflanzt und auf gute Ergebnisse gehofft. Hier arbeite ich mit der Gartenschere, schneide ständig nur zurück.«
Jeden Morgen, ob es regnete oder die Sonne schien, rollten die Krankenschwester Raymond hinaus auf die Veranda, um sich dann um andere Patienten zu kümmern und die Zimmer auszukehren, und meistens vergaßen sie ihn draußen. Doch er hatte nichts dagegen einzuwenden; da er nichts anderes zu tun hatte, stellte sich eine Faszination für die einheimische Pflanzenwelt ein und auch für das Wissen dieses Mannes. Wann immer er konnte, brachte Joseph ihm seltene, farbenfrohe Exemplare, die Raymond gern zwischen zwei Buchseiten presste, um eine private Sammlung anzulegen.
An diesem Tag jedoch war Joseph woanders beschäftigt und versäumte daher den großartigen Anblick einer Wolke von blauen Schmetterlingen, Tausende und Abertausende, die sich aus dem Tal erhoben. Raymond war so hingerissen, dass er wütend schimpfte, als jemand in sein Blickfeld trat.
»Weg da! Auf der Stelle! Los! Weg da!«
Wäre der Mann ihm näher gewesen, hätte er ihn zur Seite gestoßen.
»Einen schönen guten Morgen auch«, erwiderte Sergeant Gooding, doch Raymond neigte sich zur Seite, in der Hoffnung, einen letzten Blick auf das herrliche Schauspiel zu erhaschen.
»Bitte«, sagte er. »Augenblick. Diese Schmetterlinge …«
Doch als Gooding sich umdrehte und in die falsche Richtung blickte, verblassten die Schmetterlinge wie blauer Dunst in weiter Ferne.
»Was ist damit?«
»Ach, schon gut«, antwortete Raymond gereizt.
»Na gut. Und wie geht’s Ihrem Bein?«
»Sie haben das Geschwür entfernt, aber es hat ein Riesenloch in meinem Bein zurückgelassen, und es will einfach nicht heilen.«
»Ach ja, so etwas braucht seine Zeit. So etwas können Sie nicht einfach zunähen, Sie können es nur vor Infektionen schützen und müssen warten, bis die Haut nachwächst. Trotzdem wird Ihnen da ein Stück vom Muskel fehlen.«
»Das sagte man mir bereits.«
»Aber Sie werden gut versorgt?«
»Ja, sie tun, was sie können. Das Krankenhaus ist heillos überbelegt.«
»Die Stadt ebenfalls.« Gooding zuckte mit den Schultern. »Die verdammten Goldgräber strömen täglich zu Hunderten herein. Gestern ist mit der einlaufenden Flut ein Schiff gekentert, eine Ketsch, war den ganzen weiten Weg von Melbourne hergekommen, und drei Passagiere sind ertrunken. Es war überfüllt wie alle Schiffe, die diesen kleinen
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