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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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unverzüglich die Ordnung des Gesetzes und die Prinzipien des Christentums einzuführen.«
     
            Der Journalist drängte darauf, alle Heiden und schwarzen Wilden vom Militär zusammentreiben und in Lager sperren zu lassen.
            Angewidert schleuderte Raymond die Zeitung zu Boden. Sobald die Goldfelder ausgebeutet waren, überlegte er, würde der Urwald die Gegend zurückerobern, und jenseits des Steinbocks würde wieder Ruhe herrschen. Doch dann fiel ihm ein, dass die aufblühende Stadt Cairns ebenfalls jenseits des Steinbocks und an der Grenze zu den Goldfeldern lag. Er fragte sich, ob die landeinwärts gelegenen Viehstationen ertragreich genug sein würden, um den Hafen zu erhalten, wenn das Gold ausging.
            Doch all diese Probleme konnten erst zu einem anderen Zeitpunkt in Angriff genommen werden. Jetzt beschäftigten sie ihn nur, um ihn vom drohenden Selbstmitleid abzuhalten. Er hätte von Lavinia über die politische Situation erfahren müssen. Sie, oder doch wenigstens sein Vater, hätte sehen müssen, was bevorstand, und darauf bestehen müssen, dass er seine Aufstellung rechtzeitig anmeldete. Selbst hier herrschte eine gewisse offizielle Regelung. Seit Wochen hatte er nichts aus Brisbane gehört, wenngleich er Lavinia von seinen Problemen geschrieben hatte, nämlich dass er im Augenblick nicht reisefähig war. Sein Bein brauchte Ruhe, um vernünftig heilen zu können, und die Zustände in diesem Krankenhaus waren grauenhaft. Was er nicht hinzufügte, war, dass er sich einsam fühlte. Nie im Leben war er so schrecklich einsam gewesen. Er sprach auch nicht davon, dass er sich durch seine Bettlägerigkeit hässliche wunde Stellen an der Kehrseite zugezogen hatte.
             
            Am nächsten Tag begann Raymond, während er darauf wartete, dass der Arzt zur Visite kam, eine Entgegnung auf die empörenden Ansichten dieses angeblich so christlichen Herrn zu verfassen, der die Lehre Christi offenbar nie verstanden hatte. Die Beschreibung der Schönheit dieser Gegend hielt er für einen guten Einstieg – eine schreckliche Schönheit, wie er zugeben musste, dank der Unfähigkeit des Menschen, zu leben und leben zu lassen. Doch die Wälder hier, so führte er aus, sind prachtvoll, und die Tierwelt ist erstaunlich. Auf seinen Reisen durch die Berge hatte er so viele ungewöhnliche Tiere gesehen … »Immerhin«, so schrieb er, um Humor bemüht, »wie viele Menschen wurden schon krank zum Palmer River und wieder zurücktransportiert?«
            Sehr wenige, wenn überhaupt einer, dessen war er sicher. Doch die langsame Genesung hatte ihm Gelegenheit gegeben, in Muße Flora und Fauna zu studieren. Mehrmals hatte er sogar Kasuare gesehen, große Vögel, ähnlich den Emus, aber bedeutend farbenfroher. Wie der Gärtner behauptete, stritten manche Leute die Existenz der Kausare immer noch ab.
            Er seufzte. Wenn er es sich in den Kopf setzte, könnte er zu diesem Thema einen äußerst interessanten Brief verfassen … Doch dann überkam ihn ein Gefühl der Verlegenheit. Wen interessierte die Beschreibung der Regenwälder aus der Feder eines Mannes, der mittlerweile längst zum Gespött geworden war? Ein Parlamentarier, der aus dem dämlichsten aller Gründe seinen Sitz verlieren würde: Weil er nämlich versäumt hatte, sich rechtzeitig aufstellen zu lassen.
            Raymond kannte die Presse. Er wusste, dass die Reporter sich nicht für seine Gründe interessieren würden; die Gelegenheit, einen Politiker zu verunglimpfen, war zu verlockend. Er stöhnte auf. Karikaturisten! Die hätten dann ihren großen Tag.
            Wie auf ein Stichwort, um sich in seine Gedanken an Brisbane zu mischen, brachte eine Krankenschwester ihm einen Brief.
            »Sieht aus wie die Handschrift einer Dame«, bemerkte sie. »Ihre Frau, wie?«
            »Nein. Ich bin Witwer«, antwortete er unwillig.
            »Ach so. Hoffentlich sind es gute Nachrichten.«
            »Ja, sicher.« Er entließ sie mit einem Kopfnicken und dachte über die Annahme nach, ein Brief, ähnlich wie ein Telegramm, könnte wichtige Nachrichten enthalten.
            Dieser Brief barg jedoch mehr Schrecken als Nachrichten. Lavinia regte sich furchtbar auf, weil er immer noch in Cooktown weilte, weil er seine Kandidatur versäumt hatte. Der Premierminister war wütend auf ihn, weil er ihn im Stich gelassen hatte, während er doch dringend die

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