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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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»Und wissen Sie, warum sie das tun?«, fragte Joseph.
            Raymond schüttelte matt den Kopf.
            »Weil die Blattläuse sie mit dem Honig versorgen, den sie für ihren Nachwuchs brauchen.«
            »Verstehe.« Raymond nickte.
            »Das glaube ich nicht, alter Freund. Was ist los?«
            »Ach … wer weiß? Alles Mögliche! Entschuldigen Sie, Joseph, ich habe nicht richtig zugehört. Es liegt an meinem Bein. Ich fürchte, sie können hier nicht verhindern, dass die Entzündung sich ausbreitet, die Wunde ist tief und, wie ich befürchte, brandig, auch wenn sie es nicht zugeben.«
            »Ja, da kann ich verstehen, dass Sie Angst haben. Hören Sie, ein Freund von mir könnte Ihnen vielleicht helfen. Soll ich ihn fragen?«
            »Ist er Arzt?«
            »Nein, aber er ist sehr klug. Er hat mich von meinem Fieber geheilt.«
            Um den Gärtner nicht zu kränken, willigte Raymond ein, wenngleich er nicht viel davon erwartete.
            An diesem Nachmittag döste er vor sich hin, als ein großer Chinese mit langem grauen Bart auf der Veranda auftauchte. Er trug einen langen Brokatmantel und einen bestickten krempenlosen Hut tief in die glatte Stirn gezogen. Der übliche Zopf hing ihm lang über den Rücken.
            »Sie sind der hochwürdige Mr. Raymond Lewis, Sir?«, fragte diese Erscheinung, und Raymond konnte in seiner Verblüffung nur bejahen, statt darauf hinzuweisen, dass er Regierungsmitglied war, kein Priester, und deshalb nicht als Hochwürden angesprochen werden musste.
            Der Chinese verbeugte sich und faltete die Hände, die aus weiten Ärmeln herausragten. »Ich bin Li Weng Kwan. Unser gemeinsamer Freund Joseph hat mich gebeten, Sie aufzusuchen, doch wenn der Zeitpunkt Ihnen nicht genehm sein sollte, bitte ich um Vergebung. Dann ziehe ich mich unverzüglich zurück.«
            »Mr. Li, es ist sehr freundlich von Ihnen, mir einen Besuch abzustatten, aber wie Sie sehen, bin ich nicht in der Lage, Sie mit der gebührenden Höflichkeit zu empfangen.«
            »Dann möchten Sie mich vielleicht in meinem bescheidenen Haus aufsuchen?«
            »Wohl kaum. Ich sitze hier fest. Das Bein, verstehen Sie?«
            Mr. Li warf einen Blick auf das dick verbundene, auf einem Hocker ruhende Bein und seufzte. »Offensichtlich bereitet es Ihnen großes Unbehagen, Mr. Lewis.«
            »Allerdings«, seufzte Raymond.
            »Selbst Krokodile können umziehen«, sagte der Chinese mit feierlichem Ernst.
            Raymond erschrak. »Wie bitte?«
            »Im Fluss lebte ein gefräßiges Krokodil. Die Leute wollten, dass es getötet würde, aber ein Mann wollte es für seinen Privatzoo haben und forderte seine Diener auf, dem Tier die Schnauze zuzubinden und es gefesselt auf einen Wagen zu legen. So konnte es umziehen.«
            Raymond lachte. »Ich glaube nicht, dass jemand etwas dagegen einzuwenden hätte, wenn ich mich für ein paar Stunden verabschieden würde.«
            »Dann hole ich ein paar Diener und einen Wagen.«
            Binnen einer Stunde wurde Raymond wieder einmal durch die Stadt transportiert, doch diesmal ruhte er in einem Meer von bunten Kissen. Zwei Diener hielten einen großen Schirm über seinen Kopf, um ihn vor der Sonne zu schützen, und hinter ihm saß der merkwürdige Mr. Li mit dem Kutscher.
            Das Pferd zog den Wagen zur Stadt hinaus und trottete einen Hügel hinauf, der zum Vorgebirge über der Flussmündung gehörte. Dann ging es bergab auf einem Weg in den Busch hinein, bis sie Mr. Lis Behausung erreicht hatten.
            Es war ein außergewöhnliches Haus, auf Pfählen an einem steilen Hügel errichtet. Es besaß drei Stockwerke – das sah Raymond bereits vom Wagen aus, denn zu seiner Verwunderung hatte das Haus anscheinend keine Mauern.
            »Das Klima verlangt eine luftige Bauweise«, erklärte Mr. Li, als die Diener Raymond die Stufen zum untersten Stock hinauftrugen. »Und den Blick aufs Meer versage ich mir nicht. Deshalb gibt es keine Hindernisse.«
            »Wie zum Beispiel Wände?«, fragte Raymond. »Aber wenn es regnet?«
            »Der Regen in dieser Gegend ist schwer. Er fällt einfach. Drinnen bleibt es trocken.« Er lachte verhalten. »Wenn aber ein Hurrikan mit Regen kommt, werden wir sowieso alle nass. Ist bisher

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