Wind des Südens
im Regierungspalast dabei zu sein. Das wollen wir uns auf keinen Fall entgehen lassen. Sir Lyle und Lady Horwood in ihrer größten Stunde. Ich glaube, anschließend gibt es einen Empfang. Bestimmt wird es ein schönes Fest, von allem nur das Beste! Apropos: Hat jemand Lust auf ein edles Tröpfchen? Mrs. Hillier, Champagner?«
»Oh, ich weiß nicht.« Sie sah Esme an. »Was meinen Sie?«
Esme war wütend auf Neville, weil er sich wieder einen neues Märchen ausgedacht hatte. »Das möchte ich nicht selbst entscheiden. Mein Mann schimpft mich in letzter Zeit öfter, ich könnte nicht Maß halten. Erlaubst du mir ein Schlückchen Champagner?«
»Selbstverständlich, Liebling. Wir trinken alle Champagner zum Dessert.«
Hillier wollte mehr über die Horwoods wissen und schien gekränkt zu sein, weil man ihn übergangen hatte. »Ist sonst noch jemand von hier eingeladen?«
»Wohin eingeladen?«, entgegnete Neville mit Unschuldsmiene, und Esme wusste, dass er den Mann auf den Arm nehmen wollte.
»Nach Brisbane. Um dabei zu sein, wenn Lyle zum Ritter geschlagen wird.«
»Ach, lassen Sie mich sehen. Lewis fährt hin. Er war mit Ihnen auf dem Schiff. Sie drei sind doch gemeinsam losgefahren. Hatten Sie übrigens eine gute Reise? Ich habe ganz vergessen, mich danach zu erkundigen.«
»Ja, ausgezeichnet, danke. Leider musste ich in Maryborough von Bord gehen, obwohl ich mir überlegt habe, die Einladung anzunehmen und bis zur Hauptstadt mitzufahren.«
Esme bemerkte, dass Mrs. Hillier blinzelte, und fragte sich, ob das der Wahrheit entsprach oder ob Clives Frau einfach nichts von seinen Absichten geahnt hatte. Lächelnd warf sie Mrs. Hillier einen Blick zu, während der Champagner eingeschenkt wurde.
»Kennen Sie Brisbane gut?«
»Eigentlich nicht. Als ich mit meiner Schwester in die Kolonie kam, sind wir in Brisbane an Land gegangen und haben eine Weile dort verbracht. Wir waren Gouvernanten.«
Clive lachte auf. »Auf der Suche nach Ehemännern. Darauf haben es doch alle Gouvernanten abgesehen.«
Esme stellte fest, dass Mrs. Hillier errötete, und sie versuchte, sich ein Bild von dieser Ehe zu machen. Sie kam zu dem Schluss, dass sie die Frau sympathischer fand als den Mann. »Ich war früher auch Gouvernante«, log sie und hatte einen Heidenspaß, als Neville die Augenbrauen hochzog. »Ja, ich habe zwei reizende Kinder unterrichtet. Aber obwohl ihr märchenhaft reicher Père, der ein Witwer war, mich anflehte, ihn zu heiraten, bin ich lieber ledig geblieben. Bis mein Neville kam, natürlich.«
»In Hongkong wäre es vermutlich anders gewesen«, platzte Clive heraus, während Neville sein Champagnerglas hob.
»Ich wünsche uns allen viel Glück!«
Sie waren fast mit dem Nachtisch fertig, als Neville einfiel, sich bei Clive nach dem Fortschritt beim Bau seiner Läden zu erkundigen.
»Es läuft ausgezeichnet. Wenn die Bauvorhaben von Apollo auch so erfolgreich sind, haben wir nichts zu befürchten.«
»Und wann wollen Sie eröffnen?«
»In etwa einem Monat. Bis dahin sollte die bestellte Ware da sein.«
»Sie haben die Einkäufe bereits erledigt?«
»Nicht ganz«, antwortete Clive zögernd und schob sich eine schlaffe, blonde Haarsträhne aus der Stirn. »Nur für den Anfang.«
»Da bin ich aber erleichtert. Esme hat sich schon so auf ihre neue Aufgabe gefreut. Möchten Sie sie immer noch als Einkäuferin für Damenmode einstellen?«
»Ja«, murmelte Clive. »Ja, natürlich.«
Mrs. Hillier ließ den Blick ruhig über den Tisch schweifen und schwieg.
»Sie könnte sich ja erkundigen, was in Brisbane auf dem Markt ist, wenn wir schon einmal dort sind«, schlug Neville vor.
Aber Esme hatte genug von diesem Thema. Sie zwinkerte Mrs. Hillier zu. »Vielleicht wäre es das Beste, wenn Sie und ich zum Einkaufen nach Hongkong fahren und die Männer ihren Bauvorhaben überlassen.«
»Eine wunderbare Idee«, meinte Mrs. Hillier spöttisch. »Ich war noch nie in Hongkong. Erzählen Sie mir davon. Es muss eine faszinierende Stadt sein.«
Die beiden Frauen hatten ein gemeinsames Gesprächsthema gefunden
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