Wind des Südens
»Ja, ich hole sie heute ab. Das Haus, das wir gemietet hatten, ist zerstört, aber ich habe uns vorübergehend eine Unterkunft im Wohnheim der Telegrafengesellschaft besorgt.«
»Sie wird heute noch nicht entlassen«, erwiderte die Oberschwester und verschränkte die Arme vor der Brust. »Es gibt also keinen Grund zur Eile. Ich wollte Sie nur fragen, wer sie so verprügelt hat.«
»Verprügelt? Wer hat meine Frau verprügelt?«
Clive wich zurück. »Was für ein Märchen hat Emilie Ihnen denn aufgetischt? Sie wurde bei dem Sturm verletzt. Kein Mensch hat sie verprügelt. Es wundert mich, wie Sie überhaupt auf so einen Gedanken kommen. Und wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen …«
Er drängte sich an ihr vorbei. Die Oberschwester ließ ihn gehen. Schließlich war sie kein Richter. Auch wenn er die Tat abgestritten hatte, wusste er nun zumindest, dass man ihm auf der Spur war. Allerdings war es ihrer Erfahrung nach ratsam, etwas zu unternehmen, solange die Frau noch im Krankenhaus lag. Wenn sie erst einmal entlassen war, würde sie nichts mehr für sie tun können.
Clive stand bereits neben Emilies Bett. Seine Miene war finster und drohend und zeigte nicht die Spur von Sorge darüber, dass seine Frau Opfer eines Überfalls geworden sein könnte.
Das habe ich mir fast gedacht, sagte sich die Oberschwester, als sie sich den beiden näherte. »Ich hoffe, Sie behaupten jetzt nicht, Mrs. Hillier hätte uns etwas vorgeschwindelt. Sie hat nämlich kein Wort darüber verloren. Doch die Striemen auf ihrem Rücken und auf ihren Beinen sprechen Bände.«
Sie sah, wie die Frau im Bett ängstlich zusammenzuckte. »Aber, aber, Mrs. Hillier, Sie bekommen doch ein Baby. Sie sind für das Kind verantwortlich …«
»Ich weiß, Oberschwester«, flüsterte Emilie.
»Dann lassen Sie sich nicht einschüchtern und demütigen und verschweigen Sie nicht länger, dass er gewalttätig gegen Sie geworden ist. Wenn Sie es aller Welt erzählen, werden Sie bald feststellen, dass er nicht so groß ist, wie er tut.«
»Wie können Sie es wagen!«, brüllte Clive, aber die Oberschwester wirbelte zu ihm herum.
»Dasselbe sollte ich eigentlich Sie fragen! Sie sollten sich schämen! Hier kommt Dr. Fanning, also verschwinden Sie jetzt am besten.«
Rasend vor Wut stürmte Clive auf die Straße hinaus. Sein Herz klopfte. Hatte er nicht schon genug Schwierigkeiten, da die zerstörten Läden nicht versichert gewesen waren? Ihre gesamte Habe in der Hütte war zerstört, ebenso ihre Möbel, da auch das Lagerhaus verwüstet worden war. Und da besaß Emilie die Frechheit, faul im Krankenhaus zu liegen, das Opferlamm zu spielen und anderen Leuten etwas über ihre so genannten Verletzungen vorzujammern! Lügen zu verbreiten, die bald die ganze Stadt hören würde. Ein Jammer, dass sie sich beim Einsturz der Hütte nicht gleich das Genick gebrochen hatte.
Aber … ach, zum Teufel mit ihr. Woher sollte er nun das Geld nehmen, um seine Läden wieder aufzubauen und einzurichten? Er würde einen hohen Kredit aufnehmen müssen. Vielleicht war es besser, zunächst nur einen anstelle von zwei Läden zu eröffnen und darin Herrn- und Damenbekleidung anzubieten. Die übrigen Räume konnte er ja vermieten. Er beschloss, sich sofort an die Arbeit zu machen.
»Unmöglich, Clive«, meinte der Bauunternehmer. »Sie kommen später dran. Wir haben den Auftrag, das Hotel Alexandra wieder aufzubauen, das unsere Firma selbst errichtet hat. Es bricht mir das Herz, wenn ich diese Zerstörung sehe. Anschließend kommen zuerst die Regierungsgebäude wie die Lagerhäuser und die Zollstation dran. Nach diesem Wirbelsturm gibt es hier so viel Arbeit, dass in der Stadt mindestens ein Jahr lang ein Mangel an guten Handwerkern herrschen wird. Am besten trommeln Sie gleich ein paar Leute zusammen.«
Das war leichter gesagt als getan. Alle Fachleute, die Clive fragte, standen bereits unter Vertrag. Verärgert gab er es auf und marschierte in die provisorische Bar, die neben den Ruinen des Hotels York eingerichtet worden war. Erst beim dritten Whisky fiel ihm ein, dass er noch nicht völlig bankrott war. Schließlich besaß er ja Anteile an Apollo Properties. Die würde er jetzt verkaufen. Fünfhundert Pfund. Damit konnte er sein
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