Wind des Südens
mit den Jahren, und Jake ging als harter Mann daraus hervor.
2. Kapitel
Raymond Lewis war ein sanftmütiger Mensch, fleißig in allen Lebensbereichen – Mitglied des Parlaments der Kolonie Queensland, viel beschäftigter Anwalt mit einer Kanzlei in Brisbane und Presbyter der anglikanischen Kirche – und außerdem Witwer. Seine Frau war vor einiger Zeit einer Grippewelle zum Opfer gefallen. Jetzt stand er mit den Damen Mrs. Willoughby und Mrs. Plummer zusammen und äußerte vorsichtig seine Meinung zum Beschluss des Kapitäns, bis zum ersten Tageslicht zu ankern.
»Gut«, sagte er. »Ausgesprochen vernünftig.«
»Verdammte Zeitverschwendung, wenn Sie mich fragen«, schnaubte Horwood.
»Vorsicht ist besser, als irgendwann das Nachsehen zu haben«, bemerkte Mrs. Plummer, und Raymond freute sich, sie auf seiner Seite zu sehen. Sie war eine elegante Frau, seiner Schätzung nach in den Fünfzigern, etwa im gleichen Alter wie seine Schwester Lavinia. Allerdings trug sie nicht so viele überflüssige Pfunde mit sich wie Lavinia, wie er mit einem Anflug von schlechtem Gewissen feststellte.
»Haben Sie China mit einer politischen Mission besucht, Mr. Lewis?«, fragte sie ihn. »Oder nur als Privatmann?«
»Oh! Ich hatte eine Mission, in der Tat, gnädige Frau. Ich hatte Verabredungen mit Regierungsmitgliedern – hauptsächlich Wirtschaftsgespräche, die, wie ich glaube, glücklicherweise erfolgreich waren. Das mir zugewiesene Personal war ausgesprochen hilfreich. Was natürlich nicht anders zu erwarten war«, fügte er hinzu und wandte sich an die hübsche kleine Chinesin. »Ich kann Ihnen zu meiner Freude sagen, Mrs. Willoughby, dass ich den Besuch in Ihrem Land sehr genossen habe und ihn eines Tages zu wiederholen hoffe. Darf ich fragen, ob Sie in Brisbane bleiben werden?«
Sie lächelte ihn an, und es war ein ausgesprochen süßes Lächeln, das ihm unter die Haut ging. »Für eine Weile, Mr. Lewis. Mein Mann und ich leben lieber auf dem Lande.«
»Ah ja. Auf dem Lande, so. Aber solange Sie in Brisbane weilen, müssen Sie und Ihr Gatte mir erlauben, Ihnen die Stadt zu zeigen. Das gilt natürlich auch für Sie, Mrs. Plummer.«
»Ich wäre entzückt«, sagte die deutsche Dame. »Wie ich höre, ist Brisbane eine sehr angenehme Stadt.«
Dann gesellten sich die Caporns zu ihnen, und Raymonds Gedanken wanderten zurück zu seiner Frau. Sie war liebend gern auf Reisen. Sie hatten mehrere Inseln im Pazifik und auch Singapur besucht, doch ihr Traum war immer gewesen, einmal China zu sehen. Wie traurig, dachte er, dass sich dieser Traum nie erfüllt hat, während er auf Regierungskosten zu einem offiziellen Besuch ausgesandt wurde.
Einige Zeit nach Beatrices Tod war seine unverheiratete Schwester zu ihm gezogen, um ihm den Haushalt zu führen. Nein, er musste sich berichtigen: Lavinia betrachtete sich als Hausdame und Gastgeberin und genoss diese Rolle. Er und Beatrice waren keine Freunde großer Gesellschaften gewesen, sie bevorzugten ein ruhiges Leben. Nicht so Lavinia.
»Du bist gut situiert«, erklärte sie. »Und du hast dieses riesige Haus. Es ist ideal für Gartenpartys und Dinnergesellschaften. Ich habe nie verstanden, warum ihr beide nicht öfter Gäste eingeladen habt. Ein Mann in deiner Stellung muss sich um seine Karriere kümmern und, was die richtigen Leute betrifft, entschieden gastfreundlicher sein.«
Er seufzte. Diese Angelegenheit wurde ihm aus den Händen genommen. Lavinia arrangierte alle möglichen Veranstaltungen – »um seine Karriere voranzutreiben« –, und Raymonds Leben wurde noch betriebsamer.
Sein Partner in der Kanzlei, Gordon McLeish, amüsierte sich darüber. »Du und Lavinia, ihr beherrscht zurzeit das gesellschaftliche Leben. Das war ein netter Musikabend, den du da gestern Abend veranstaltet hast. Du hast sogar ein paar Richter und den Schatzmeister an Land gezogen. Willst du ins Ministerium, mein Alter?«
»Ich will nichts als Ruhe und Frieden«, stöhnte Raymond. »Lavinia verwandelt mein Haus in einen Veranstaltungssaal.«
»Alles um der guten Sache willen.« Gordon hatte kein Mitleid.
Raymond fühlte sich im Stich gelassen. Er wusste, dass er als verantwortungsbewusster Anwalt und ernsthafter Parlamentarier mehr zu
Weitere Kostenlose Bücher