Wind des Südens
Falls Mal auf den Gedanken kam, den beiden in der Festung einen Besuch abzustatten, würde nichts aus ihren Reiseplänen werden. Also musste Jesse sich nun etwas ausdenken, um Mal bis dahin von dort fern zu halten und ihn zu beschäftigen.
Als er nach Hause kam, war sein Freund mit Lulu hinter dem Haus und versuchte, den Gemüsegarten wieder auf Vordermann zu bringen.
»Der Regen hat ziemliche Schäden angerichtet«, meinte er zu Jesse, »aber einige Kohlköpfe könnten sich wieder erholen.«
»Sie sind total verdreckt!«, brummte Lulu. »Alles kaputt.«
»Das lässt sich abwaschen«, erwiderte Mal vergnügt.
»Ich habe mit Franz Kassel gesprochen«, sagte Jesse. »Sie haben mit dem Wiederaufbau des Hotels angefangen, haben aber zu wenig Leute. Glaubst du, du könntest ihnen ein paar Tage lang zur Hand gehen?«
Mal stand auf. »Ja, ich denke schon. Irgendwelche Neuigkeiten von Sergeant Connor?«
»Noch nicht. Es ist zu früh. Am Samstagabend wissen wir sicher mehr.«
Da es ihm darauf ankam, Mals Zeit zu verplanen, verkündete er, er habe Eleanor und Esme für diesen Abend zum Essen eingeladen, was Lulu in Panik versetzte. Sie hastete in die Küche und ließ sich auch nicht beruhigen, als die beiden Männer ihr folgten und ihre Hilfe anboten.
»Sie wollen helfen?«, entsetzte sie sich. »Das kommt gar nicht in Frage. Raus mit Ihnen!«
Jesse lachte auf. »Dann haben wir ein bisschen Freizeit. Du stellst den Kartentisch auf die Veranda, Mal, ich kümmere mich um die Drinks. Ein Glück, dass ich die beiden eingeladen habe. Eleanor sagte, sie hätte heute Abend etwas zu feiern.«
»Was denn?«
»Das wollte sie uns erst später verraten.«
Nach einem ausgezeichneten Abendessen, serviert von einer gelassen lächelnden Lulu, rückte Eleanor endlich mit der Sprache heraus.
»Ich bin jetzt wieder eine allein stehende Frau und habe mich aus einer gescheiterten Ehe befreit. Finden Sie nicht, dass das ein Grund zum Feiern ist?«
Alle stimmten zu.
»Was nun?«, fragte Mal dann. »Kehren Sie nach Hongkong zurück oder nach Brisbane, wie ursprünglich geplant?«
»Oh, ich bleibe hier. Der Mietvertrag für Mr. Kincaids Haus läuft noch ein Jahr. So habe ich genug Zeit, um mich zu entscheiden. Und im nächsten Monat, mein lieber Freund, kommt Gertrude mich besuchen. Die Winter hier sollen ja sehr angenehm sein.«
»Richtig«, pfichtete Jesse ihr bei. »Ein wunderschöner Anblick. Du solltest auch bleiben, Mal.«
»Nein, ich will zurück in den Süden. Ich mag kühle Luft und ein Feuer im Kamin.«
Esme, die ihnen zuhörte, lächelte und wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie fühlte sich wohl und geborgen hier. Allerdings war die Stadt sehr klein; die Menschen begegneten ihr auf Schritt und Tritt mit einer übertriebenen Freundlichkeit und wagten kaum, sie anzusprechen. Esme war die Witwe des Helden. Hoffentlich würde sich das irgendwann legen.
Auch sie hatte sich von einigem Ballast befreit. Neville hatte sich mit seiner Äußerung geirrt, sie könnten nun einmal nicht aus ihrer Haut und seien und blieben eben ein Betrügerpärchen. Er hatte sich schlichtweg geweigert, die Chancen zu ergreifen, die es ihnen ermöglicht hätten, ehrlich zu werden. Neville hatte das Risiko geliebt und Spaß daran gehabt, seine Mitmenschen auszutricksen. Wahrscheinlich hätte er sich zu Tode gelangweilt, hätte er sich durch rechtschaffene Arbeit ernähren müssen. Und so war er zu guter Letzt zu waghalsig geworden und hatte sein Leben aufs Spiel gesetzt, um dieses verdammte Frauenzimmer zu retten.
So ist mein Neville schließlich als Held gestorben, dachte Esme. »Wer hätte das gedacht? Schließlich hatte er nie viel für Helden übrig. Und ich bin gerade noch rechtzeitig aus der betrügerischen Baufirma ausgestiegen. Nur dass das für mich nicht das Ende ist, sondern ein Neuanfang. Ich muss mir eine Arbeitsstelle besorgen. Verdammt. Ich weiß nicht, ob ich schon bereit dazu bin.«
»Sie sind so still heute«, sagte Jesse zu ihr, worauf Esme ihr erprobtes strahlendes Lächeln aufsetzte.
»Nicht wirklich. Ich habe mich nur gefragt, wann Mal uns
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