Wind des Südens
Informationen über die Stadt Cairns enthielten und über höchst gastfreundliche Leute, deren Bekanntschaft er gemacht hatte – auf all diesen Seiten verlor er kein einziges Wort darüber, dass Sonny Willoughby sich in der Stadt aufhielt. Dass Sonny Willoughby, ihr früherer Verehrer, ein Überlebender der China-Belle -Katastrophe war.
Clive hatte Willoughby zweimal in der Stadt gesehen, jedoch keinerlei Anstalten gemacht, in anzusprechen oder in irgendeiner Form Kontakt zu ihm aufzunehmen, obwohl Sonny einmal sein Freund gewesen war. Sonny war es auch gewesen, der ihn mit Emilie bekannt gemacht hatte, der englischen Gouvernante, die jetzt seine Frau war.
Clive war überzeugt, dass Emilie immer noch in Sonny verliebt war, sosehr sie es auch abstritt. Er quälte sie gern mit diesem Verdacht, erinnerte sie daran, dass der Bauertölpel sie hatte sitzen lassen, und behauptete, sie habe ihn nur aus Enttäuschung geheiratet. Und er warnte sie, sie solle es nicht wagen, auch nur an Sonny zu denken – ebenso wenig wie an irgendeinen anderen Mann.
Mit traurigem Herzen hatte Emilie seinen Brief gelesen. Sie war überzeugt, dass Clive sich jetzt nicht mehr ändern würde. Die Neuigkeiten aus Cairns waren interessant, aber hatte er vergessen, dass es auch in Maryborough eine Zeitung gab? Die China Belle hatte er nicht einmal erwähnt, obwohl doch alle Welt in dieser Woche über nichts anderes redete. Und über Sonny, versteht sich.
Sie seufzte. Es war eine harte Woche gewesen. Sie hatte sich gefreut, über Sonny zu lesen, zu erfahren, dass er gesund und munter war, und es hatte sie aufrichtig geschmerzt, als sie las, dass er seine Frau unter solch bitteren Umständen verloren hatte.
Der arme Sonny, dachte sie. Sein bisheriges Leben war so traurig gewesen. Was soll ihm denn noch alles zustoßen? Er ist ein guter Mensch, er hat so viel Kummer nicht verdient. Und was Clive betrifft … wenn ich’s mir recht überlege, wird er wissen, dass wir auch hier über die Meuterei informiert sind. Maryborough liegt schließlich nicht ganz hinterm Mond. Ja, er weiß es bestimmt, aber er will mir etwas zu verstehen geben. Indem er die Meuterei und Sonny mit keinem Wort erwähnt, lässt er mich seine alte Eifersucht wieder spüren. Gießt Öl ins Feuer. Noch so ein Vorwand, um mir das Leben zur Qual zu machen.
Emilie hatte nicht geahnt, dass eine derartig rasende Eifersucht möglich war. Sie bezog sich nicht allein auf Sonny, sondern auf jeden Mann, der sie auch nur anlächelte.
Sie erinnerte sich noch daran, wie er angefangen hatte, sie zu verhöhnen, weil Willoughby sie hatte sitzen lassen. Er beschimpfte ihn als Bauernlümmel und einheimischen Tölpel, der den in England geborenen und erzogenen Hilliers intellektuell unterlegen sei.
Eine Zeit lang hatte Emilie, peinlich berührt, diesen Spott über sich ergehen lassen, doch als es in Quälerei ausartete, machte sie ihn darauf aufmerksam, dass es sich in Wirklichkeit genau umgekehrt verhielt.
»Ich habe mich für dich, nicht für Sonny, entschieden. Hör doch bitte auf mit den Sticheleien. Ich liebe dich. Und das habe ich ihm auch gesagt.«
»Soll das heißen, er hat dich vor die Wahl gestellt?«
»Nun ja, ich musste eine Entscheidung treffen.«
»Wann war das? Als du mit ihm im Bett warst?«, fauchte Clive. »Eure Beziehung muss schon ziemlich eng gewesen sein, wenn er dich sogar heiraten wollte.«
»Nein. So war es ganz und gar nicht.«
»Du lügst! Sonny hätte es nicht gewagt, dich auch nur anzurühren, wenn du ihm keine Hoffnungen gemacht hättest.«
»Du bist ungerecht! Bitte, Clive, komm zur Vernunft.«
Und das war das erste Mal, dass er sie schlug, sie so heftig ins Gesicht schlug, dass sie sich in ihrem Zimmer verstecken musste, bis die Schwellung abklang.
Emilie legte seinen Brief nieder, ging zum Wohnzimmerfenster, blickte hinaus in den mondbeschienenen Garten und versuchte, nicht an Clive zu denken. An seine Wutanfälle. An die Schläge. An die Augenblicke, wenn er sie in die Arme nahm und beteuerte, dass er sie liebte.
»Kannst du nicht verstehen, dass es mich kränkt, wenn du flirtest?«, fragte er dann. Doch Emilie hatte schon vor langer Zeit dagegengehalten, dass sie nie flirtete, dass sie
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