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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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war.
            »Ich finde, sie macht einen ganz gesunden Eindruck.«
            »Aber sie ist nicht gesund. Ich bin der Meinung, niemand sollte sie verhören, solange sie nicht begreift, wo sie ist.«
            »Weiß sie ihren Namen?«
            »Ja, aber das ist auch schon so ziemlich alles. Als ich sie an Bord brachte, habe ich sie gefragt, was mit ihr geschehen ist. Aber ich habe nichts herausbekommen.«
            »Wie?«
            Raymond ging ein Stückchen weiter übers Deck. »Das hat sie auch gefragt. Ich habe mich sehr gewundert. Sie wollte wissen, wie ich das meine. ›Nichts ist mit mir geschehen‹, sagte sie und bat mich, sie in ein gutes Hotel zu bringen, damit sie sich herrichten könne. Als ich sagte, sie müsse an Bord bleiben, dieses Schiff würde sie nach Cairns bringen, wurde sie böse.«
            »Selbst ich hätte gewusst, dass das falsch war, Lewis. Vermutlich haben Sie sie verwirrt. Sie sagten doch selbst, sie hat bestimmt noch nie von einer Stadt namens Cairns gehört.«
            »Ich habe mich berichtigt«, erwiderte Raymond steif. »Ich habe ihr gesagt, wir würden sie so schnell wie möglich zu Lyle, ihrem Mann, bringen. Deswegen bat ich die Mannschaft, das Schiff zum Auslaufen bereitzumachen. Die Hilfspolizisten bleiben, sie brauchen sie, aber ich muss diese Frau ohne Verzögerung zu ihrem Mann bringen.«
            »Ausgeschlossen!«, brauste Gooding auf. »Die Mannschaft kann sie nach Cairns bringen. Sie werden hier gebraucht. Sie sind der Einzige, der die Meuterer identifizieren kann, haben Sie das vergessen? Es sei denn, sie bleibt und hilft uns.«
            »Unter gar keinen Umständen lasse ich zu, dass diese kranke Frau mit lauter fremden Männern den langen Weg bis nach Cairns zurücklegt.«
            »Typisch Politiker, verdammt noch mal«, knurrte Gooding. »Sie wollen gern im Rampenlicht stehen, wie? Tja, Kumpel, da haben Sie sich getäuscht. Dieses Schiff rührt sich nicht vom Fleck, solange ich mich nicht in aller Ausführlichkeit mit Mrs. Horwood unterhalten habe. Lassen Sie sie jetzt schlafen und geben Sie ihr etwas zu essen – sie sieht ja halb verhungert aus –, und ich komme heute Nachmittag zurück.«
            Er rief den Kapitän herbei. »Falls Sie versuchen, dieses Schiff aus dem Hafen zu steuern, bevor ich Ihnen die Erlaubnis gebe, sind Sie ihr Kapitänspatent los.«
             
            Gooding sprang erstaunlich sanft mit ihr um, wie Raymond zugeben musste, er stellte seine Fragen im Plauderton bei Tee und Kuchen, wie durch Zauberhand aufgetischt, doch offenbar gab es nicht viel zu erfahren. Sie war dünn geworden, ihre Arme und Beine waren zerkratzt vom Marsch durch den Busch, aber ansonsten schien sie gesund zu sein.
            »Sie haben Sie nicht geschlagen?«, fragte Gooding irgendwann.
            »Nein, ich glaube nicht. Sie haben mich herumgestoßen. In einem Ruderboot. Am Strand. Ich musste im Busch schlafen, unter all diesen Männern.«
            Sie kroch in sich zusammen und schlang die Arme um ihren Oberkörper. »Er hat mein Kleid mit dem Messer aufgeschlitzt.«
            »Wer hat das getan?«
            »Der Offizier. Er hat mich angebrüllt. Hat mich gezwungen, den ganzen Tag lang durch den Busch zu laufen. Dan ganzen Tag über sind wir gerannt, und ich bin hingefallen …« Sie fing an zu weinen und sah Raymond Hilfe suchend an. »Ach bitte, Mr. Lewis, wo sind wir? Können wir nicht zurückgehen auf die China Belle? «
            Er hatte ihr die Lage schon früher erläutert, hatte ihr erklärt, wo sie sich befanden und so weiter, aber sie hatte es vergessen. »Die China Belle liegt jetzt im Hafen«, log er, um sie nicht noch mehr zu beunruhigen. »Gar nicht weit von hier, und wir gehen bald an Bord.«
            »Warum sind Sie diesen Männern nicht davongelaufen?«, fragte Gooding.
            »Das haben sie nicht zugelassen. Sie hätten mich umgebracht. Am Ende mussten wir dann doch weglaufen.«
            »Wer ist wir?«
            Sie blinzelte; die Frage bestürzte sie. Ständig hing ein Speichelfaden in ihrem Mundwinkel. Sie tupfte ihn mit dem Taschentuch ab, das Raymond ihr gegeben hatte.
            »Wir? Ich weiß nicht. Irgendwer. Mein rotes Kleid war zerrissen. Ich habe ein anderes von einer Verrückten bekommen. Der Fährmann hat mich übergesetzt, und ich bin

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