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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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entwischt.«
            »Beruhige dich doch. Du weckst ja das ganze Hotel auf. Als hättest du nicht schon genug Ärger gemacht. Morgen früh reden wir weiter. Steh jetzt auf und geh ins Bett.«
            Gehorsam ging sie zum Bett, schlug das Laken zurück und wollte sich hinlegen, doch Lyle hielt sie zurück. »Hast du vergessen, dass ich es nicht mag, wenn du im Bett Nachtwäsche trägst? Es ist heiß. Zieh dich aus.«
            Sie knöpfte das Nachthemd auf, zog es aus und warf es über einen Stuhl. Dann schlüpfte sie ins Bett und rollte sich zum Schlafen zusammen. Lyle hatte ihren schönen jugendlichen Körper vermisst, aber als seine Hand über ihre Hüfte und ihren Bauch strich, empfand er plötzlich heftige Abscheu. Würde sie je die Wahrheit über diese Nächte im Busch sagen? Konnte er jemals sicher sein, dass diese Asiaten nicht über sie hergefallen waren? Oder Tussup? Sie hatte ihn bisher nicht erwähnt, oder?
            Er zog die Hand zurück. »Was war mit Tussup? Was hat er denn die ganze Zeit getrieben?«
            »Wir sind weggelaufen.«
            »Wer? Du und Tussup?«
            »Ja«, antwortete sie benommen. »Wir sind weggelaufen.«

 

  8. Kapitel

 
            Zwar hatte Jake als Junge den ganzen Weg von Goulburn nach Sydney zu Fuß zurückgelegt, auf Sandwegen unter sonnigem blauen Himmel. Aber das hier! Dieser Weg über die Bergkette war ein Albtraum.
            Kaum war er aufgebrochen, als Nieselregen einsetzte. Nicht, dass der Regen ihn gestört hätte – in den Tropen war damit zu rechnen –, aber dieser Weg durch den Dschungel war schlüpfrig, bedeckt mit feuchtem, dampfendem Laub. Er durfte sein Pferd keiner Verletzungsgefahr aussetzen, deshalb ritt er im Schritttempo und hielt auch nicht inne, als graues, trübes Tageslicht durch den dunklen Baldachin der Baumwipfel drang.
            Mit dem Licht kamen weitere Reisende zum Vorschein. Gespenstische Gestalten, mit Decken und Ölhäuten gegen den Regen geschützt, traten aus dem Wald, um ihren Weg fortzusetzen. Es gab keine Gespräche, keine Kameradschaftlichkeit. Es war eine verbissene, ernste Angelegenheit. Entschlossenheit trieb sie, verließ sie, stieß sie, während der Weg hinauf ins Vorgebirge beschwerlicher wurde. Männer zogen Handkarren voller Ausrüstung, sie marschierten mit gesenkten Köpfen, ihre Bündel auf dem Rücken. Weiter vorn stieß Jake auf eine Familie in einem Wagen mit gebrochener Achse, doch wie alle anderen auch setzte er seinen Weg einfach fort. Eine lange Schlange chinesischer Kulis lief neben ihm her, Körbe auf den Schultern balancierend, ohne nach links und rechts zu blicken, und Jake trieb sein Pferd an, um sie hinter sich zu lassen – in Gedanken daran, dass auch Bartie Lee so reisen würde, mit Dienern, wie er es sich ausgemalt hatte, die für ihn Lasten tragen, kochen und Gold schürfen sollten.
            Als die Sonne durch die Wolken brach, machte er am Wegesrand Pause, um rasch etwas zu essen. Jake war Hitze gewohnt, die trockene Hitze seiner Heimatstadt und die Schwüle asiatischer Häfen wie Singapur oder Batavia, und ihm war klar, dass die Hitze in dieser ausgedörrten Wildnis sein geringstes Problem sein würde. Viel gefährlicher war zum Beispiel die graue Schlange, die zu seinen Füßen durchs Gras huschte. Er musste die Augen gut offen halten.
            Bald saß er wieder zu Pferde, kam an manchen Wegstrecken, die plötzlich durch offenes Gelände führten, schneller voran, verzweifelt darauf bedacht, diesen Ritt so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Und dann begann er den Aufstieg in die Berge, bis ihn an einem belebten Lagerplatz die Dämmerung einholte. Ihm kam in den Sinn, dass er an seinem ersten Tag wohl nur eine durchschnittliche Wegstrecke zurückgelegt hatte, wenn so viele andere ebenfalls hier Halt machten, und er beschloss, sein Tempo am nächsten Tag zu steigern.
            Ohne jegliches Bedürfnis, jemanden kennen zu lernen oder mit Leuten zu reden, schlug er abseits von den anderen sein Lager auf, und als er gegessen hatte, trat er das Feuer aus und entrollte seine Schlafmatte zwischen den Wurzeln eines uralten Baums. Er war gerade im Begriff einzudämmern, als er von einem Lagerplatz in der Nähe Schreie und Rufe hörte, und er verhielt sich völlig still, verschmolz mit den Schatten. Schüsse peitschten auf, eine Frau kreischte, Schritte stampften über den schweren Boden, die

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