Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
immer tiefer in den Wald (und unablässig bergauf) führte, wurde das grüne Licht rot. Sobald er dann auf den Pfad zurückkehrte, wurde es wieder grün.
    Er aß aus dem Proviantkorb und ließ sich anschließend zu einem Nickerchen nieder. Als er wieder aufwachte, war es später Nachmittag und etwas kühler geworden. Er nahm den (nun etwas leichteren) Korb auf den Rücken, schulterte den Wasserschlauch und marschierte weiter. Der Nachmittag war kurz, die Abenddämmerung noch kürzer. Die Nacht schreckte ihn nicht mehr sonderlich, weil er schon eine überlebt hatte – und weil Daria ihm auf Verlangen Licht machte. Nach der Hitze des Tages war die Abendkühle erfrischend.
    Tim lief noch einige Stunden lang weiter, bis er wieder müde wurde. Er scharrte gerade Tannennadeln zu einer Lagerstatt zusammen, als Daria endlich wieder sprach. »Etwas voraus befindet sich eine Sehenswürdigkeit, Wanderer. Wenn Sie sie sehen möchten, sagen Sie bitte weiter . Wenn Sie darauf verzichten möchten, sagen Sie bitte nein .«
    Statt sich hinzulegen, hob er, neugierig geworden, den Proviantkorb auf. »Weiter«, sagte er.
    Das helle Licht der Scheibe erlosch. Als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah Tim weit vor sich einen hellen Fleck. Nur Mondschein, aber weit heller als der, der durch die Baumwipfel am Pfad fiel.
    »Folgen Sie dem grünen Navigationssensor«, sagte Daria. »Achten Sie darauf, leise zu sein. Die Sehenswürdigkeit befindet sich knapp eine Meile beziehungsweise etwa null Komma acht Räder nördlich Ihrer gegenwärtigen Position.«
    Sie verstummte mit einem Klicken.

Tim bewegte sich so leise wie möglich, aber in seinen Ohren klang jeder Schritt entsetzlich laut. Letzten Endes spielte das aber vermutlich keine Rolle. Der Pfad führte auf die erste große Lichtung hinaus, die er hier im Wald zu sehen bekam, und die dort versammelten Lebewesen nahmen keinerlei Notiz von ihm.
    Auf einem umgestürzten Eisenholzbaum saßen sechs Billy-Bumbler mit zur Mondsichel erhobener Schnauze. Ihre Augen glitzerten wie Edelsteine. In Tree traf man Throcken heutzutage kaum noch an; wer einen zu Gesicht bekam, konnte von großem Glück sagen. Tim hatte nie zu diesen Glückspilzen gehört. Einige seiner Freunde behaupteten, sie auf Feldern oder im Blossiewald vorbeihuschen gesehen zu haben, aber er hielt das für Schwindelei. Und hier … gleich ein halbes Dutzend …
    Sie waren, wie er fand, viel schöner als die verräterische Armaneeta, denn das einzige Magische an ihnen war der natürliche Zauber lebender Wesen. Das sind die Tiere, die mich letzte Nacht besucht haben – ich weiß, dass sie es waren.
    Tim näherte sich ihnen wie im Traum. Obwohl er wusste, dass er sie wahrscheinlich vertreiben würde, konnte er nicht am Rand der Lichtung bleiben. Sie bewegten sich nicht. Er streckte eine Hand nach einem der Tiere aus, ohne auf die warnende Stimme in seinem Kopf (die der Witwe zu gehören schien) zu achten, dass es bestimmt beißen werde.
    Der Bumbler biss nicht, aber er schien aufzuwachen, als Tim sein dichtes Nackenfell berührte. Er sprang von dem Baumstamm herunter. Die anderen folgten ihm. Sie flitzten um Tims Beine herum und durch sie hindurch, bissen dabei einander spielerisch und ließen ein helles Kläffen hören, über das Tim lachen musste.
    Eines der Tiere sah sich nach ihm um – und schien ebenfalls zu lachen.
    Sie verließen ihn und rasten zur Mitte der Lichtung. Dort bildeten sie im Mondschein einen sich bewegenden Ring, wobei sich ihre tanzenden Schatten ineinander verwoben. Im nächsten Augenblick hielten alle urplötzlich still und stellten sich dann mit erhobenen Vorderpfoten auf die Hinterläufe, sodass sie in jeder Hinsicht kleinen, pelzbehaarten Menschen ähnelten. Im kalten Licht der Mondsichel blickten sie alle den Pfad des Balkens entlang nach Norden.
    »Ihr seid wunderbar!«, rief Tim.
    Ihre Versunkenheit fiel von ihnen ab, und sie wandten sich ihm zu. »Wunnerba!«, sagte einer von ihnen – und dann flitzten sie alle unter die Bäume davon. Das Ganze geschah so blitzschnell, dass Tim fast hätte glauben können, sich alles nur eingebildet zu haben.
    Irgendwie.
    Tim schlug sein Lager für die Nacht auf der Lichtung auf, weil er hoffte, sie würden zurückkommen. Und kurz vor dem Einschlafen fiel ihm etwas ein, was die Witwe Smack über das für die Jahreszeit viel zu warme Wetter gesagt hatte: Es hat wahrscheinlich nichts zu bedeuten … außer man sieht Sir Throcken bei Sternenschein tanzen

Weitere Kostenlose Bücher