Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
Strenge. Vor der Badezimmertür ließ er sie schließlich herunter. »Beeil dich«, mahnte er. »Dann können wir noch in Ruhe zusammen frühstücken.«
Diesmal gehorchte Clara ohne Murren, und Sören ging vergnügt in die Küche. Er hatte sich dieses Leben nicht ausgesucht, aber inzwischen konnte er es sich anders nicht mehr vorstellen.
Malin Bengtsson brauchte keinen Wecker. Sie wurde jeden Morgen um die gleiche Zeit wach. Normalerweise ging sie dann nach unten, kochte Kaffee und bereitete das Frühstück zu, bevor sie ihren Mann weckte. An diesem Morgen jedoch lag Harald nicht neben ihr.
Malin spürte, wie sich ihr Herz verkrampfte. Es ist alles in Ordnung, sagte sie sich selbst. Alles in Ordnung. Ganz tief atmete sie durch und entspannte sich langsam. Sie kannte diese Panikattacken. Oft kamen sie nicht mehr vor, aber das machte sie nicht weniger bedrückend. Ob diese Angst, Harald zu verlieren, sie jemals loslassen würde?
Sie schlug die Bettdecke zurück, stand auf und trat ans Fenster. Sofort sah sie draußen auf dem See das Boot ihres Mannes. Erkennen konnte sie sein Gesicht aus dieser Entfernung nicht, aber sie wusste auch so, dass er glücklich war. Er liebte es, in aller Frühe auf den See hinauszufahren. Normalerweise kündigte er dieses Vorhaben am Abend vorher an, aber manchmal überkam ihn morgens nach dem Aufwachen auch spontan die Lust zu angeln, wenn er nicht wieder einschlafen konnte.
Malin spürte, wie die Angst allmählich abebbte. Er war da, auch wenn er nicht direkt neben ihr stand, und es gab keinen Anlass, sich Sorgen zu machen. Sie duschte, zog sich an und ging nach unten. Als sie den Kaffee kochte, sah sie aus dem Fenster das Boot auf das Ufer zukommen. Sie spürte ein zärtliches Kribbeln, wie so oft, wenn sie ihn betrachtete, und beschloss, am Steg auf ihn zu warten.
Das Haus der Bengtssons lag auf einem wunderschönen Seegrundstück. Treppen führten von der Terrasse auf die Wiese, von der aus ein schmaler Pfad über einen felsigen Abhang direkt hinunter zum See führte.
Malin stieg vorsichtig über die Felsen und betrat den Steg, als ihr Mann das Boot gerade festmachte.
»Wann bist du denn aufgestanden?«, rief sie ihm zu. »Ich habe dich gar nicht gehört.«
Harald präsentierte stolz den Hecht, den er an diesem Morgen gefangen hatte. »Sie beißen morgens am besten. Schade, dass ich nicht länger draußen bleiben konnte.« Er legte den Hecht ins Netz und kam über den Steg zu ihr. Er küsste sie auf den Mund, so wie er es jeden Morgen machte.
»Du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn ich aufwache und du bist nicht da.« Malin zwang sich zu einem Lachen, obwohl ihr nicht danach zumute war. Im Gegenteil.
»Du wirst dich daran gewöhnen müssen«, meinte Harald gleichmütig. »Noch zwei Wochen, dann verbringe ich jede freie Minute auf dem Wasser.«
Er legte einen Arm um ihre Schulter und führte sie zum Haus.
»Du als Pensionär, das kann ich mir gar nicht vorstellen«, sagte Malin. »Du wirst die Schule ganz schön vermissen.«
»Ich wusste immer, dass ich aufhören will, solange ich fit und noch einigermaßen frisch bin«, sagte er.
Sie hatten diese Diskussion schon so oft geführt, und Malin war immer noch skeptischer als ihr Mann. »Du hast jahrelang nur für die Schule gelebt«, erwiderte sie. »Glaubst du wirklich, du kannst das einfach alles so hinter dir lassen?«
Harald nahm den Arm von ihrer Schulter und breitete die Hände aus. »Wie sagt der Philosoph: Es gibt für alles eine Zeit«, sagte er ein wenig pathetisch.
»Auch für die Liebe?«, fragte Malin leise.
Harald zog sie wieder an sich. »Für die ist immer Zeit«, behauptete er und küsste sie noch einmal.
Malin war glücklich, zumindest für den Moment. Alles war gut, Harald war bei ihr. Sie waren schon so lange miteinander verheiratet, und es gab keinen Grund, sich Sorgen zu machen.
Die Büros der Werbeagentur Asmussen lagen in einer der alten, sorgfältig restaurierten Fabrikhallen auf Södermalm. Hinter den alten Fassaden aus einem vergangenen Jahrhundert verbarg sich ein modernes Innenleben.
Große Fenster waren in die auch im Inneren unverputzten Backsteinmauern eingelassen und boten ein atemberaubendes Panorama über den Saltsjön bis nach Djurgården. Eine der großen Fähren zog gemächlich vorbei.
Die Mitarbeiter hatten allerdings selten Zeit und Muße, die traumhafte Aussicht zu bewundern. Sie saßen hinter ihren Schreibtischen, die in dem großen Büro so angeordnet waren, dass die
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