Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
an dem du nicht verschläfst«, sagte sie.
»Das liegt nur an dir«, behauptete Mikael. »Ich liege so gerne im Bett und träume von dir.«
Lena betrachtete ihn amüsiert. »Sei froh, dass du nur träumst«, sagte sie. Sie verlangsamte ihre Schritte, als sie ihren kleinen blauen Wagen erreichte. »Ich würde dich nämlich jeden Morgen mit kaltem Wasser wecken«, fügte sie neckend hinzu.
Sie nahm ein Handtuch vom Fahrersitz und wischte sich den kaum vorhandenen Schweiß vom Gesicht, bevor sie einen Schluck aus der Wasserflasche nahm.
»Du bist echt ein Phänomen«, sagte Mikael. »Ich kenne niemanden, der so diszipliniert ist wie du. Mal abgesehen von meiner Mutter.« In seiner Stimme klang eine Mischung aus Ärger und Bewunderung mit.
Lena betrachtete ihn von der Seite. In der Tat hatte Mikael nicht viel mit Kristina gemeinsam. Seine Haare waren blond, während sie eine dunkelhaarige Schönheit war. Mikael war groß und kräftig, ohne dick zu sein, Kristina hingegen war klein und zierlich und sah viel jünger aus, als sie war. Wer es nicht wusste, wäre niemals auf die Idee gekommen, dass sie Mikaels Mutter war.
Mikael war ein hervorragender Fotograf, aber ihm fehlte der Ehrgeiz seiner Mutter, um daraus wirklich Kapital zu schlagen.
»Apropos Mutter«, Lena war Mikael insgeheim dankbar für diese geschmeidige Überleitung, »ich habe keine Lust, Kristina warten zu lassen. Ich muss los.«
Sie setzte sich hinter das Lenkrad, bot Mikael aber nicht an, ihn nach Hause zu bringen. Der Faulpelz sollte sich ruhig noch ein bisschen bewegen, außerdem wohnte er ganz in der Nähe.
Als sie die Tür zuschlagen wollte, hielt Mikael sie fes t. »Wollen wir am Wochenende etwas unternehmen? Mit dem Boot rausfahren oder so?«
Lena seufzte. Genau diese Situation hatte sie vermeiden wollen, aber er gab einfach nicht auf, obwohl sie ihm in schöner Regelmäßigkeit einen Korb gab. Nur mit der gemeinsamen Joggingrunde am Morgen hatte sie sich einverstanden erklärt, auch weil sie wusste, dass das nicht unbedingt nach Mikaels Geschmack war.
»Ich kann nicht«, lehnte sie also auch dieses Mal ab. »Ich muss arbeiten.« Das war nicht einmal gelogen.
Mikael zog eine Grimasse. »Es gibt auch ein Leben außerhalb der Arbeit.«
»Ach ja?« Lena lachte. »Das kann ich mir gar nicht vorstellen.« Sie zog die Wagentür endgültig hinter sich zu, startete den Motor und winkte Mikael noch einmal zu, bevor sie Gas gab.
Mikael war nett, aber er war ganz bestimmt nicht der Mann, in den sie sich verlieben könnte. Und im Moment wollte sie den auch nicht, gerade wegen New York.
Lena drückte das Gaspedal ein bisschen tiefer durch. Bevor sie zur Agentur fuhr, musste sie schnell noch nach Hause unter die Dusche und sich umziehen. Und danach würde es für sie an diesem Tag nichts anderes geben als Arbeit. So wie jeden Tag.
Mitten in Sörmland, am Ufer des Båven, lag die kleine Stadt Söderholm. Hier erwachte der Tag gemächlicher als in Stockholm. Das Krähen eines Hahnes war zu hören, draußen auf dem See glitt ein Boot gemächlich in Richtung Ufer.
Sören Sand blickte ungeduldig auf die Uhr. »Clara, aufwachen!«, rief er laut.
Eine Antwort erhielt er nicht. Mit einem Seufzen betrat er Claras Zimmer. Seine Tochter lag, wie er vermutet hatte, noch im Bett. Jetzt blinzelte sie.
»Schätzchen, das Frühstück ist fertig.«
»Ich bin noch so müde«, murmelte Clara und kuschelte sich tiefer in ihre Decke. Jeden Morgen das gleiche Ritual.
Sören schaute lächelnd auf das aufgeschlagene Buch, das neben der kleinen Lampe auf dem Nachttisch lag. »Das kommt davon, wenn du abends immer so lange liest. Jetzt komm, Schatz«, drängte er, »die Schule fängt gleich an.«
»Lesen bildet«, murmelte Clara unter der Bettdecke. »Und du sagst doch immer, dass Bildung wichtig ist.«
»Deshalb gehst du ja auch zur Schule.« Sören betrachtete das reglose Bündel unter der Bettdecke. Ihm kam ein Gedanke. Er packte die Bettdecke am unteren Ende und riss sie mit einem Ruck weg. Bevor Clara sich wehren konnte, hob er sie auch schon hoch und warf sie sich über die Schulter.
»Nicht, Papa, lass mich runter!«, kreischte Clara.
Sören aber lachte nur. »Ich weiß nicht, was du gegen die Schule hast«, sagte er neckisch.
»Habe ich ja auch gar nicht, solange wir Ferien haben«, erwiderte Clara und zappelte mit den Beinen.
Sören grinste. Er mochte den Humor seiner Tochter. »Und das sagt die Tochter eines Lehrers«, tadelte er sie mit gespielter
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