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Windbruch

Windbruch

Titel: Windbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Bergsma
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Er war geschockt. Wie schlimm
stand es wirklich um seinen Freund?
    Eine knappe Viertelstunde war
vergangen, als Arzt und Schwester Haukes Zimmer mit ernstem Gesichtsausdruck
wieder verließen. „Darf ich wieder zu ihm?“, fragte Maarten leise. Statt einer
Antwort hob der Arzt nur leicht den Arm und deutete mit einer knappen Bewegung
auf die Tür. Was wohl soviel heißen sollte wie Ja . Also ging Maarten
wieder hinein. Hauke lag völlig regungslos auf seinem Bett und starrte an die
Decke. „Geht’s wieder?“, fragte Maarten und versuchte, sich nicht anmerken zu
lassen, wie erschrocken er war. Hauke nickte schwach und drehte langsam seinen
Kopf in Maartens Richtung. „Sie wollen mich auf die Intensivstation bringen“,
sagte er röchelnd, und in seine Augen traten Tränen. Maarten schluckte. Sein
Freund sah aus, als hätte ihm jemand allen Lebenssaft aus den Adern gesaugt.
„Ist vielleicht besser. Da können sie dich besser beobachten“, sagte er und
strich Hauke sanft über den Arm.
    „Aber was ist denn mit mir,
Maarten? Warum geht es mir plötzlich so schlecht?“
    Maarten dachte, dass es Hauke
nicht plötzlich, sondern schon seit Tagen schlecht ging. Aber er sagte: „Die Ärzte
werden dich weiter untersuchen und sicherlich bald wissen, woher die Blutungen
kommen. Und dann wirst du schnell wieder gesund.“ Maarten versuchte
optimistisch zu klingen, aber er hörte selbst, dass es ihm nicht gelang.
    Hauke deutete ein Nicken an. „Ich
bin so müde, Maarten. Ich glaub, ich werde jetzt mal ein wenig schlafen.“
    „Ja, mach das. Ich geh dann mal
nach Hause.“ Maarten klopfte Hauke zum Abschied leicht auf die Schulter.
„Mach’s gut, Alter, und gute Besserung.“
    „Kommst du wieder?“
    „Natürlich, Hauke. Natürlich
komme ich wieder.“

8
    Nervös fingerte er an der
Tablettenschachtel herum. Wie nur ging dieses verdammte Ding auf? Er brauchte
dringend eine von diesen knallroten Kapseln. Und die alte Packung war längst
leer.
    Eigentlich hatte es eine Ausnahme
sein sollen. Er war nervös gewesen, hektisch, gestresst. Was ja kein Wunder
war, bei den beschissenen Arbeitsbedingungen hier. Und so hatte er sich diese
Kapseln besorgt, ohne Rezept versteht sich, bei einem Freund, der sich mit so
was auskannte. Nur eine Kapsel, hatte er gedacht, dann würde er wieder ruhig,
könne seine Arbeit wieder machen, so wie früher, konzentriert und gewissenhaft.
    Aber es war nicht besser geworden
mit dem Stress. Und dann war auch noch die Geschichte mit der Windlady II hinzugekommen. Er hatte gedacht, das würde ein Kinderspiel, nachdem doch die
Firstlady so einwandfrei lief. Aber dann sollte alles plötzlich ganz anders
sein. Er hatte es nicht verstanden. Aber er tat, was ihm gesagt wurde. Das war
sein Job. Und er wollte keinen Ärger, denn den hatte er schon genug.
    Und dann war alles aus dem Ruder
gelaufen. Er hatte es prophezeit, aber keiner hatte ihm zugehört. Na gut,
einer, ja, der hatte, genau wie er, kritisch nachgefragt. Fehler. Man sah ja
jetzt, was der davon hatte. Nein, er würde es anders machen. Er würde nicht
mehr nachfragen, auf gar keinen Fall. Er würde nur seinen Job machen und dann
abends nach Hause gehen. Zu seiner Frau. Die beschwerte sich schon laufend,
dass er keine Zeit mehr für sie hatte und ständig so schlecht gelaunt war. Das
würde von nun an wieder anders werden. So wie es früher gewesen war. Verdammt!
Es gelang ihm einfach nicht, diese blöde Kapsel herauszudrücken. Seine Finger
zitterten. Das war doch nicht normal!
    Fahrig fuhr er sich über das mit
kaltem Schweiß bedeckte Gesicht. Er war doch noch jung, er konnte noch so viel
machen. Mit seiner Frau. Und im Job. Ja, er würde kündigen und noch mal ganz
von vorne anfangen. Vielleicht hier in Ostfriesland. Vielleicht auch ganz
woanders. Nur weg von hier, aus diesem Unternehmen, denn das machte ihn kaputt.
Da, na endlich, eine der knallroten Kapseln fiel auf den Tisch und kullerte dem
Abgrund entgegen. Schnell griff er nach ihr und schob sie sich mit zitternden
Fingern in den Mund. Jetzt noch schnell einen Schluck Wasser – ja, schon
besser.
    Letzte Woche, da hatte er
gedacht, alles würde besser werden. Nachts war er nicht mehr so oft
schweißgebadet aufgewacht, die Tage schienen wieder heller, freundlicher. Ja,
nachdem er beschlossen hatte, dass ihn die Schweinereien hier alle nichts
angingen, dass er nur seinen Job machen wollte, da war er ruhiger geworden.
Schließlich lag die Verantwortung nicht bei ihm, er ging nur seiner

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