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Windbruch

Windbruch

Titel: Windbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Bergsma
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Badetuch. „Chef“, strahlte sie ihn an, „das ist aber schön, dass du mal
auf ein Glas Wein vorbeikommst.“
    „Ich muss unbedingt mit dir
reden“, sagte er gerade, als hinter Franziska eine weitere, sehr verstrubbelt
aussehende Frau auftauchte, ihn kurz von oben bis unten musterte, seiner
Assistentin einen ausdauernden Kuss auf den Mund gab und dann mit einem
gehauchten Tschüß, Honey verschwand.
    „Guck nicht so perplex, Maarten“,
lachte Franziska und legte ihm einen Finger unter das Kinn, um seinen vor
Staunen offen stehenden Mund wieder zuzuklappen. „Wenn man zehn Jahre in New
York gelebt hat, sollte Homosexualität eigentlich nichts Besonderes mehr sein.“
    „Ich ... ich wusste ja nicht
...“, stammelte er und wurde rot.
    „Na, da bin ich aber froh, dass
selbst du manchmal etwas nicht weißt“, lachte sie. „Komm rein. Ich schenke uns
einen guten Wein ein. Oder“, sagte sie flapsig, „willst du auf den Schreck
vielleicht lieber einen Cognac?“

39
    Stumm standen die drei älteren
Männer, die Hände tief in ihren dicken karierten Flanelljacken vergraben, in
dichtem Nebel am Strand von Juist und starrten auf den leblosen Körper, der
hier offensichtlich über Nacht angeschwemmt worden war.
    „Wat macht der denn hier?“, presste
schließlich einer von ihnen zwischen seiner Zigarette hervor. Die anderen hoben
nur kurz die Schultern, dann sagte minutenlang wieder keiner ein Wort. Rund
herum waren nur das Kreischen der Möwen und das leise Plätschern der Wellen zu
hören, die sich langsam den Strand heraufarbeiteten. Es würde nicht mehr lange
dauern, bis der Leichnam wieder vom Wasser umspült und womöglich weggetragen
würde.
    „Meint ihr, wir sollten die
Polizei rufen?“, durchschnitten die nächsten Worte die Stille des heraufdämmernden
Tages. Wieder folgte Schulterzucken, ohne dass die Männer ihre Hände auch nur
einen Spaltbreit aus den Taschen bewegt hätten.
    „Jo.“
    „Wegen mir.“
    „Sieht ja nich so aus, als wär
der freiwillich hier.“
    „Nee.“
    „Stimmt. Sieht nich danach aus.“
    „Meinst, der hat wat mit `m
Unglück aufer Plattform zu tun?“
    „Weiß nich.“
    „Hm. Warum hat er dann `n Messer
im Rücken?“
    Umständlich kramte einer der
Männer in der Innentasche seiner Jacke und beförderte schließlich ein Handy
hervor. „110, oder?“
    „Jo.“
    „Ich denk mal.“
    „Is ja nix für meine dicken
Finger, so `n lüttes Telefon … jo, hier Tammo Janssen von Juist … hier liecht
jemand mit Messer im Rücken … Freerk, stoß den mal an … nee, lebt nich mehr …
jo, westlicher Nordstrand, vorm Hammersee … jo, is neblich … na gut, wir warten
hier … na gut … jo, bis späder denn.“ Er ließ sein Handy zurück in die Tasche
gleiten. „Sagen, wir sollen hier warten.“
    „Hm.“
    „Hm.“
    „Moin, Jungs“, ließ sich rund
fünfzehn Minuten später eine Stimme vernehmen, deren dazugehörige Gestalt
zunächst nur schemenhaft im Nebel zu erkennen war.
    „Moin, Stephan“, antwortete Tammo
Janssen, der die Stimme des Inselpolizisten erkannt hatte, „neblich heute.“
    „Jo. Isser das?“ Stephan Kröger
stellte sich zu den Männern und machte eine Bewegung mit dem Kopf zur Leiche.
Auch er hatte augenscheinlich keine große Lust, die Hände aus den wärmenden
Taschen zu ziehen.
    „Jo. Oder siehst du hier noch `ne
Leiche?“
    Stephan Kröger beugte sich zu dem
toten Mann hinab und betrachtete ihn von oben bis unten. „Hm“, sagte er dann,
„Selbstmord war’s wohl nich.“
    „Nee.“
    „Sieht nich danach aus.“
    „Kennt ihn jemand von euch?“
    „Nee.“
     „Nee. Is vielleicht vonne
Plattform.“
    „Mit Messer im Rücken?“
    „Hm.“
    „Gleich kommt Verstärkung vom
Festland. Ich soll hier nur den Tatort sichern.“
    „Hm.“
    „Sieht hier nich nach Tatort aus.
Is wohl angespült worden.“
    „Jo. Der liecht schon’n bischen
länger im Wasser.“
    „Jo. Sieht so aus.“
    „Werden ja noch Leute vermisst,
vonne Plattform.“
     „Jo. Blöde Sache das.“
    „Wird Zeit, dass der woanners
hinkommt. Is Flut. Sonst isser gleich wieder wech.“
    Tatsächlich umspülten die Wellen
bereits die Füße des toten Mannes, und sicherlich würde es noch mindestens eine
halbe Stunde dauern, bis die Polizisten vom Festland hier eintrafen. Alle vier
Männer fassten mit an und schleiften die Leiche wenige Meter höher den Strand
hinauf. Dann wischten sie ihre schwieligen Hände, die von einem Leben harter körperlicher
Arbeit zeugten, an

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