Windbruch
gewusst, da war sich
Maarten ziemlich sicher. Und er war vergiftet worden – so hatte er jedenfalls
behauptet. Hatte vielleicht auch Rautschek den Druck nicht mehr ausgehalten und
hatte reden wollen? Mit dem Ergebnis, dass er nun umgebracht wurde, genau wie
Hauke? Dann musste es irgendwo Hintermänner geben, die ein vitales Interesse
daran hatten, dass ihre Machenschaften nicht aufflogen. Und wenn doch mehr
dahinter steckte, als ein paar manipulierte Pläne?
Maarten zermarterte sich den
Kopf, doch seine Gedanken drehten sich im Kreis. Irgendein zentrales Puzzleteil
fehlte noch. Aber wo sollte er anfangen zu suchen? Hauke und Rautschek waren
tot. Sie konnte man nicht mehr fragen. Eine wichtige Zeugin, Antje, ebenso. Ein
weiterer Zeuge, Hufschmidt, war zwar noch am Leben, aber derzeit noch alles
andere als vernehmungsfähig. Das Gleiche galt für Tomke.
„Die Polizei hatte schon mehrere
Hinweise auf Steffen Rautschek bekommen“, sagte Franziska in seine Gedanken hinein
und legte den Telefonhörer auf. „Die Sache muss ziemlich hohe Wellen schlagen,
bis hoch ins Innenministerium. Die sind nun wohl auch darauf gekommen, dass da
irgendwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Von einem Unglück spricht da wohl
keiner mehr.“
„Na, da brauche ich die Köpfe von
Naumann und Rhein wohl nicht mehr selbst unter die Guillotine zu stecken“, bemerkte
Maarten säuerlich. „Die dürften sich mit der ganzen Sache schon selbst den Genickschuss
gesetzt haben.“
„Da wäre ich mir nicht so
sicher“, erwiderte Franziska und rümpfte die Nase. „Solche Kerle lavieren sich
doch immer raus. Guck mal, wie die auf ihren jetzigen Posten gelandet sind,
obwohl sie nicht die Spur Kompetenz mitbringen. Nee, wenn die dem Rautschek nicht
selber das Messer in den Rücken gerammt haben, und das kann ja nicht sein, dann
sitzen die das auf der linken Arschbacke ab. Im ungünstigsten Fall werden sie
mit einem vergoldeten Handschlag weggelobt. Vermutlich sitzen sie dann irgendwo
in Brüssel und schreiten zur Rettung der Eurozone. Tolle Aussichten, wenn du
mich fragst.“
„Wie auch immer“, stöhnte
Maarten, der sich plötzlich unendlich müde fühlte, „es ist nun kein Geheimnis
mehr, dass auch wir eine ganze Menge wissen. Und mit meinem Auftritt bei der
Pressekonferenz werde ich mir auch nicht eben viele Freunde gemacht haben.
Womöglich lauert hinter der nächsten Ecke schon wieder einer mit `nem gezückten
Messer, das er mir zwischen die Rippen rammen will.“
„Puh“, seufzte Franziska, „und
ich Trottel hab in meiner Naivität gedacht, in Ostfriesland sei ein Strafzettel
für Falschparken das Höchste, was man sich an krimineller Verfehlung vorstellen
könnte.“
„Ja“, nickte Maarten, „selbst ich
habe immer gedacht, dieser kleine Landflecken sei zwar nur halb so groß wie der
Friedhof von Chicago, aber doppelt so tot. So kann man sich täuschen.“
„Na, wenn es hier mit den Leichen
so weitergeht, dann haut der Vergleich bestimmt bald hin“, sagte Franziska
betont lässig und grinste schief. Doch bei Maartens Worten war ihr ein
eiskalter Schauer über den Rücken gelaufen. Er, und vielleicht auch sie selbst,
schwebten in Lebensgefahr, das war klar. Und sie hatte noch nicht die Spur
einer Ahnung, wie sie da wieder herauskamen.
41
Tomke erwachte am Sonntag.
Maarten wäre beinahe vom Stuhl gefallen, auf dem er seit einer knappen Stunde
saß und aus dem Fünf-Freund-Buch vorlas. Gerade hatte er eine kurze Lesepause
gemacht, um sich ein Glas Wasser einzuschenken, als er neben sich eine
schwache, stockende Stimme sagen hörte: „Lies … doch … weiter!“
Wie in Zeitlupe drehte er sich
mit offenem Mund zu ihr um, weil er meinte, einer Halluzination aufgesessen zu
sein. Aber tatsächlich lag sie mit flackernden Augenlidern da und versuchte,
ihren Blick zu fixieren, was ihr jedoch noch nicht gelang. „Tomke“, flüsterte
er, und Tränen traten ihm in die Augen, „du bist wieder da.“ Er nahm ihre Hand
und strich ihr mit der anderen Hand über die Wange. „Wie geht es dir? Tut dir
was weh?“
Doch Tomke antwortete nicht,
sondern stieß nur ein leises Stöhnen aus. Dann fielen ihr die Augenlider wieder
zu. Schnell drückte Maarten auf den Klingelknopf, um eine Schwester zu holen.
Es dauerte nur wenige Sekunden, bis diese mit besorgtem Gesicht zur Tür herein
kam. „Ist was passiert?“
„Sie ist aufgewacht“, sagte
Maarten und strahlte über das ganze Gesicht. „Gerade hat sie mit mir gesprochen.“
„Frau
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