Windbruch
hinweg gegangen war. Er war an die Wand
geschleudert worden, als die Flutwelle wieder zurückwich. Und er hatte gesehen,
wie Tomke in den erbarmungslosen Strudel geriet, der alles, was nicht fest
verankert war, mit sich in die raue, feindliche See riss. Gerade noch hatte er
sie zu fassen gekriegt und sie zu sich gezogen. Sie war nicht ohnmächtig, aber
ganz benommen gewesen und hatte ständig irgendetwas vor sich hingebrabbelt, was
er nicht genau verstehen konnte. Aber es hatte sich angehört wie Georg,
Liebester, hilf mir! . Also hatte er sie in einem günstigen Moment unter den
Armen gefasst und hatte sie nach draußen geschleift, bis hin zur Brüstung, wo
er sie in einer sicheren Einbuchtung abgesetzt hatte. Doch plötzlich hatte ihn
wieder eine Welle erfasst und hatte ihn mit sich getragen. Mehr wusste er nicht
mehr. Alles um ihn herum war schwarz geworden. Er war erst im Krankenhaus
wieder erwacht.
Anscheinend hatte dieser
verdammte Maarten Sieverts die Chance ergriffen, um sich bei Tomke lieb Kind zu
machen. Die Schwester hatte ihm erzählt, dass er regelmäßig kam, stundenlang an
ihrem Bett saß und ihr was vorlas. Wie albern! Als hätte eine Frau wie Tomke
Spaß daran, wenn ihr jemand etwas vorlas! Er, Georg, hätte sie gestreichelt,
ihr körperliche Wärme gegeben, ihr Zärtlichkeiten ins Ohr geflüstert. Sie hätte
sich geborgen gefühlt. Vorlesen, pah! Aber vielleicht hatte er ja mit seiner Vermutung
Recht. Vielleicht war Sieverts tatsächlich schwul. Wahrscheinlich sogar. Nur
Schwuchteln kamen auf die Idee, aus irgendwelchen Kinderbüchern vorzulesen.
Kinderbücher! Bei einer Frau wie Tomke! Sieverts konnte wirklich nicht ganz
dicht sein! Nun, umso besser. Vermutlich würde Tomke ihn in die Wüste schicken,
sobald sie wieder aus ihrer Ohnmacht erwachte. Die Schwester hatte am Morgen
gesagt, sie sei schon ab und an mal wach gewesen und habe auch schon
gesprochen. Was genau, das hatte sie ihm nicht verraten wollen. Aber er konnte
fühlen, dass sie nach ihm gefragt hatte.
Als Hauptkommissar Büttner bei
ihm gewesen war und ihn zum Mord an Steffen Rautschek befragte, von dem Inka
ihm schon gleich nach seinem Wachwerden erzählt hatte, war ihm plötzlich der
geniale Einfall gekommen, Tomke zu beschuldigen. Zwar war er sich sicher, dass
Tomke auch freiwillig mit ihm zusammen sein würde. Aber bei Frauen konnte man
nie wissen. Plötzlich gerieten ihre Hormone durcheinander und sie stellten sich
komisch an. Das kannte er von seiner Frau. Völlig ohne Grund hatte sie sich von
ihm abgewandt, hatte es mit seinen Kapseln begründet, die ihn angeblich
verändert hätten. Eines Abends hatte er sie trotzdem genommen, hatte sie
gezwungen, mit ihm zu schlafen, ihm Befriedigung zu verschaffen. Schließlich
war es ihre Pflicht, verdammt, sie war immer noch seine Ehefrau! Aber es hatte
ihm keinen Spaß gemacht. Er hatte versucht sich vorzustellen, dass es Tomke
war, mit der er Sex hatte, denn seine Frau reizte ihn eigentlich schon lange nicht
mehr. Aber es war ihm nicht gelungen und sein Orgasmus geriet ziemlich
kläglich. Nein, echte Ekstase würde er nur noch bei Tomke verspüren. Und schon
bald würde es soweit sein. Was auch immer jetzt passierte, und was auch immer
Tomkes Hormone taten, er hatte sie in der Hand. Es würde wunderschön werden.
48
Menschen wie Hayo Rhein gehörten
hinter Gitter. Schon alleine dafür, dass sie waren, wie sie eben waren. Hauptkommissar
Büttner war sich sicher, dass der Kerl, der, ausstaffiert wie ein Pfau, vor ihm
saß, mit Sicherheit die ein oder andere Schweinerei auf dem Kerbholz hatte, für
die man ihn locker ein paar Jahre einbuchten könnte – wenn es für diese Theorie
denn Beweise gäbe. Schon immer hatte er dafür plädiert, Leute mit einem solch
schmierigen Grinsen, wie es Rhein vor sich her trug, einfach mal wegzusperren,
um ihnen beizubringen, dass die Menschheit an so etwas keinerlei Bedarf hatte.
Leider hatte die Durchsicht der
Akten keinerlei Hinweis darauf ergeben, dass Rhein in irgendeiner Weise in die
Machenschaften rund um die Windlady II eingeweiht oder gar involviert
gewesen war. Alle Dokumente, die belegten, dass es Unregelmäßigkeiten bei der
Planung gegeben hatte, trugen ausschließlich Naumanns Unterschrift. Und der war
längst geständig. Zwar war er derzeit gegen Kaution und Auflagen wieder auf
freiem Fuß. Aber er war erledigt, so viel stand fest. Seine Unterstützer aus
Wirtschaft und Politik, die ihn auf den Vorstandsposten gehoben hatten, hatten
ihn
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