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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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Ebenso wenig wie Reyast, der in der Hängematte unter ihm lag.
    Pazel hatte angenommen, sie wollten ihn nur an der Nase herumführen, und die ganze Sache vergessen. Aber jetzt im Salon Erster Klasse kam ihm plötzlich eine andere Möglichkeit in den Sinn: die Ixchel. Wer sonst könnte verlorene Knöpfe irgendwo auf dem Deck aus Ritzen und Spalten fischen und sie unbemerkt in seine Tasche schieben?
    Pazel sah beklommen zu dem Schwertkämpfer auf. Ob er davon wusste? Hercól musterte ihn wieder mit seinem Raubtierblick. Aber er stellte keine Fragen, sondern hielt ihm stattdessen ein kleines Holzkästchen hin und klappte den Deckel auf.
    Darin lagen mehrere klebrige Knäuel aus orangegelben Fäden. »Geleespinnen«, sagte Hercól. »Eine Spezialität von Tressek Tarn.«
    Pazel bedankte sich und schob sich nervös einen ganzen Klumpen des schmierigen Zeugs in den Mund. Tascha lehnte naserümpfend ab.
    »Was wollte Syrarys diesmal?«› fragte sie.
    Hercól zog die Augenbrauen hoch. »Eine Arznei. Tropfen für den Tee deines Vaters. Sie hatte sogar daran gedacht, sie schon von Etherhorde aus zu bestellen.«
    »Jedes Mal, wenn wir einen Hafen anlaufen, beschäftigt sie dich mit Botengängen.«
    »Als Kammerdiener bin ich verpflichtet, auch ihr zu Diensten zu sein. Tascha, ist Hauptmann Nagan hier gewesen?«
    »Wer?«
    »Er befehligt die Ehrengarde für deine Familie, meine Liebe. Er wurde krank und ist deshalb in Ulsprit von Bord gegangen, aber wie ich höre, ist er der Chathrand hinterhergereist und zurückgekehrt. Ich möchte ihn gern kennenlernen.«
    »Den Mann habe ich noch nie gesehen. Hör zu, Hercól: Du bist mein Lehrer. Und ich habe nicht mehr viel Zeit, um von dir zu lernen.«
    »Das ist richtig.« Hercól lächelte schwach. »Man sollte immer die Uhr im Blick behalten, nicht wahr?«
    Damit machte er kehrt und verließ den Salon. Tascha sah Pazel an. »Das ist unsere Geheimparole«, flüsterte sie, plötzlich atemlos geworden. »Ramachni ist wieder da. Pazel, jetzt musst du mit mir kommen.«
    Sie stand auf und zerrte den Jungen fast gewaltsam aus dem Salon. Sie huschten durch den leeren Speisesaal und vorbei an der Geldpforte und den Offizierskabinen. Vor ihrer Tür blieb Pazel stehen.
    »Das ist der letzte Ort, an dem ich mich aufhalten sollte«, sagte er.
    »Keine Sorge, es ist alles geregelt. Tritt ein.«
    »Geregelt?«, fragte er. »Von wem? Ist dein Vater da drin?«
    »Nein, und Syrarys auch nicht. Pazel, kannst du mir nicht einfach vertrauen?«
    Er sah sie skeptisch an. Aber dann folgte er ihr doch in den Gästesalon.
    Das rötliche Licht der untergehenden Sonne strömte durch die Heckfenster und ließ Messingbeschläge und Kronleuchter aufblitzen. Über der Tülle eines fünf Fuß hohen Samowars aus Porzellan und Jade kräuselte sich noch der Dampf. An der Wand hing ein Gemälde mit breitem Goldrahmen, das einen Schiffbruch darstellte. Und auf dem Boden lag ein riesiges braunes Bärenfell mit Kopf und Klauen.
    »Das ist wohl noch ein Andenken an Tressek Tarn«, bemerkte Pazel und stieß mit der großen Zehe gegen die gelben Zähne.
    Tascha drehte sich zu ihm um. »Diesen Bären hat mein Großvater auf seinem Hof in Westfirth mit einem Jagdmesser erlegt. Syrarys hat ihn aus der Kiste geholt, weil sie kalte Füße hatte.«
    Pazel zog die Zehe zurück. Tascha lächelte spöttisch und ging weiter.
    Das Geld, dachte Pazel. Ein Sturm von Gefühlen brach über ihn herein, während er ihr folgte. Er war schmutzig, sie war verwöhnt, er war nichts wert, er war mehr wert als dieses Mädchen.
    Wir hatten auch alte Sachen, dachte er und zermarterte sich das Gehirn. Aber die wenigen Gegenstände aus seinem Leben in Ormael, an die er sich erinnern konnte, wirkten neben dieser Pracht schäbig und gewöhnlich. Auf einem Tisch neben dem Samowar lag ein angebissenes Stück Kuchen. Teerjungen waren schon für weniger als das mit den Fäusten aufeinander losgegangen. Was soll ich hier? , dachte er.
    Tascha öffnete die Tür zu ihrer eigenen Kabine. Jorl und Suzyt plumpsten wie zwei Steine vom Bett auf den Boden, um sie zu begrüßen. Sie warf sofort einen Blick auf ihre Kommode. Das mondgesichtige Zifferblatt stand wie zuvor einen Spaltbreit offen. Sie zog Pazel ins Zimmer.
    »Ramachni«, sagte sie. »Ich bin es. Ich habe Pazel Pathkendle mitgebracht.«
    »Tatsächlich?«
    Die Stimme drang unter Taschas Kissen hervor, hoch, samtweich und ganz und gar nicht menschlich. Pazel zuckte unwillkürlich zusammen und sah zu seinem

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