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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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großartiger Mensch, allseits beliebt & Lady Taschas Lehrer. Er ist Tholjassaner & die sind ein kriegerisches Volk, aber dieser Tholjassaner ist nur Diener & Tänzer. Er kann auch nicht reich sein. Warum also er? Wenn der Schurke es auf Eberzam Isiq abgesehen hatte, warum überfällt er den Diener allein & abseits von allen anderen? Das Verbrechen ergibt keinen Sinn & beunruhigt mich auf einer tiefen Ebene, die ich bislang noch nicht fassen kann.
    Mr. Hercól hatte viel Blut verloren, bevor wir ihn aus dem Wantenspanner befreiten. Seit 27 Stunden liegt er nun schon reglos da & ich befürchte, dass er stirbt, bevor wir Uturphe erreichen. Die junge Lady sitzt weinend an seiner Seite & scheint nicht mehr ganz bei Sinnen zu sein, denn sie ruft immer wieder nach einem gewissen Roamanchi, obwohl niemand dieses Namens an Bord ist.
    Ich selbst bete nicht. Die Götter sind nicht auf die Bitten eines alten Quartiermeisters angewiesen, wenn es darum geht, über das Schicksal dieser Welt zu entscheiden. Aber bei allen Himmeln! Hoffentlich bleibt der Mann am Leben! Ein sinnloser Tod auf einer solchen Reise ist tragisch genug. Zwei könnten ein Zeichen dafür sein, dass über unserem Unternehmen ein Unstern waltet.
    Ob ich deshalb die Ratte verschonte?
    Ich komme mir töricht vor, aber Folgendes ist geschehen: Sechs oder acht Tage nach Ulsprit stieg ich hinunter zum Barmherzigkeitsdeck, um nach Schuhwichse zu suchen. Gleich hinter dem Fockmast sah ich ein Bilgenrohr mit schlecht sitzender Kappe & als ich die Kappe abnahm, um sie richtig wieder aufzusetzen, schaute ich in die Augen einer schwarzen Ratte. Natürlich wollte ich das Vieh zunächst mit einem Brecheisen erschlagen. Was mich innehalten ließ, war der Anblick seines Pfötchens.
    Es war böse gequetscht. Das Tier hatte es sich zwischen Rohr & Kappe eingeklemmt, sicherlich genau in dem Moment, als einer von uns die Kappe mit Gewalt zudrücken wollte. Der Fuß wird nie wieder zu gebrauchen sein, aber er ließ so viel Luft in das Rohr, dass das tapfere Kerlchen am Leben blieb. Es war spindeldürr & zitterte – sicherlich hatte es schon seit Tagen in diesem Rohr gesessen. Die Ratte & ich sahen einander an & bevor ich meinen Schock überwinden & sie töten konnte, huschte sie auf ihren drei heilen Beinen davon. Ich hätte sie immer noch mit dem Brecheisen erschlagen können, doch stattdessen wünschte ich ihr Glück. Was bist du nur für ein lächerlicher alter Weichling geworden, Fiffengurt! Zum Glück war ich ganz allein.

22
     
    G UTE A BSICHTEN
     
     
    4. Modoli 941
    52. Tag nach Etherhorde
     
     
    H ercól lag da wie tot. Tascha stand in der Kabinentür und sah zu, wie Doktor Rain ihren Lehrer zum hundertsten Mal abtastete und an ihm herumdrückte. Er sah schrecklich aus: die Haut grau und fleckig, um die Augen neue Fältchen und schwarze Streifen, wo ihm das Blut vom Bein bis zum Kinn gelaufen war, als er kopfüber im Wantenspanner hing. Er hatte sich seit dem Überfall vor vier Tagen nicht bewegt. Tascha hatte darauf bestanden, dass man ihn in ihr eigenes Schlafgemach brachte. Hier war es wärmer als im Schiffslazarett, und es gab ein richtiges Bett, nicht nur eine gepolsterte und an Seilen aufgehängte Planke. Aber Rain war nach wie vor der einzige Arzt auf dem Schiff. Taschas Unruhe wuchs, je länger sie ihn herumschlurfen sah. Er schien ihr nicht ganz bei Trost zu sein. Redete mit seinen Instrumenten. Wischte sich mit einem Zipfel ihrer Bettdecke das Kinn ab.
    »Komm jetzt, Liebes.« Syrarys glitt neben sie und fasste sie energisch am Arm. »Lass den Doktor seine Arbeit tun. Und leih mir kurz dein Halsband. Dein wackerer Mr. Ket hat mir ein ganz ausgezeichnetes Silberputzmittel gegeben.«
    Ohne die Gemahlin ihres Vaters eines Blickes zu würdigen, nahm Tascha die Kette ab und reichte sie ihr. Eigentlich sollten sie rasch Uturphe ansteuern. Doch Tascha hatte mit ihrem Vater dessen alte Seekarte (mit den gespenstergleich eingezeichneten Kriegsflotten, Schlachtformationen und Angriffslinien) studiert, und er hatte ihr gezeigt, dass Rose einen riesigen Umweg gefahren war. Allem Anschein nach hatten sie mehrere Tage vergeudet. Tascha wollte wissen, warum er Rose deshalb nicht zur Rede stellte. Der alte Admiral antwortete streng: »Weil er der Kapitän ist.«
    Doch ihr Vater erklärte auch, dass der Wind von Stunde zu Stunde ungünstiger stünde und sie von Glück reden könnten, wenn sie die Stadt morgen bei Sonnenaufgang erreichten. Ob Hercól so lange durchhielt?

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