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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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sich sofort auf den Weg zum Oberdeck, wo sie im Freien weiterlief. Die Wellen waren jetzt höher, und der Wind blies schärfer. Auf der Steuerbordseite schienen die grauen Berge von Uturphe seit dem Mittag nicht näher gekommen zu sein.
    Die Raucherstunde war ein Angebot an die Fahrgäste der Dritten Klasse, die im Rauchsalon nicht zugelassen waren. Gegen Abend gestattete man diesen ärmsten Reisenden, sich auf dem Vordeck eine Pfeife zu mieten. Die Gebühr war empörend hoch und der Tabak nicht frisch, aber womit fände sich ein Süchtiger auf einem kalten, überfüllten Schiff nicht ab? An diesem Abend pafften dreißig Männer eifrig vor sich hin. Tatsächlich dauerte die Raucherstunde nur vierzig Minuten.
    Seltsam, dass Mr. Ket sich gerade dort aufhielt – er fuhr sicherlich nicht Dritter Klasse. Kragen und Manschetten seines Matrosenmantels waren aus blauer Seide, und am Finger trug er einen roten Edelstein, der in der untergehenden Sonne blitzte. Er rauchte keine rußgeschwärzte Mietpfeife, sondern hatte seine eigene teure Wasserpfeife aus blankem Messing. Er stand neben der Steuerbordkanone, so weit entfernt von allen anderen auf dem Vordeck wie nur möglich.
    »Lady Tascha!«, sagte er und verneigte sich, als sie zu ihm trat. »Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Abend!«
    »Leider ist er alles andere als das«, sagte Tascha. »Mein Lehrer liegt im Sterben, und niemand scheint ihm helfen zu können.«
    »Der arme Mann!«, sagte der Seifenhändler etwas leiser. »Was für ein böses Omen für uns alle! Ist er noch nicht aufgewacht?«
    »Nein«, sagte Tascha. »Aber ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie ihn gerettet haben. Sie sind ein tapferer Mann, Mr. Ket.«
    »Ich hatte keine Zeit, tapfer zu sein«, sagte er und schlug die Augen nieder. »Ich habe einfach gehandelt.«
    Tascha sah jetzt, dass Mr. Kets elegante Erscheinung in einem Punkt beeinträchtigt war: durch einen abgetragenen weißen Schal, den er sich fest um den Hals geknotet hatte. Vermutlich ein Überbleibsel aus seiner Kindheit, dachte Tascha. Reiche Männer hatten seltsame Marotten.
    »Könnten Sie mir beschreiben, was geschehen ist?«, fragte sie.
    Ket schüttelte den Kopf. »Ich bitte um Vergebung, aber das kann ich nicht. Ich musste Mr. Fiffengurt fest versprechen, niemandem von diesem unerfreulichen Ereignis zu erzählen.«
    »Nun, ich habe das gleiche Versprechen gegeben«, sagte Tascha. »Aber er meinte doch wohl, wir sollten die Geschichte nicht weitertragen? Da wir beide eingeweiht sind, kann es sicher nicht schaden, wenn wir miteinander darüber sprechen?«
    Der Händler zögerte und spielte mit seiner Pfeife, aber er sah, dass Tascha eine Weigerung keinesfalls akzeptieren würde. So warf er einen verstohlenen Blick über das Deck und begann dann sehr leise zu sprechen.
    »Ich achte Ihre Sorge um Ihren Freund, gnädiges Fräulein. Aber ich fürchte, Sie könnten sich seinetwegen in Gefahr begeben. Der Meuchelmörder ist noch an Bord. Jeder der Männer hinter mir könnte es sein.«
    »Hercól ist mehr als ein Freund«, sagte Tascha. »Er ist mir so teuer wie ein großer Bruder. Was immer aus ihm wird, ich muss wissen, was geschehen ist.«
    »Nun gut«, seufzte Ket, »aber es wird Ihnen nicht viel nützen. Denn was habe ich schließlich gesehen? Ein Mann, den ich für einen Matrosen hielt, kauerte vor einer offenen Luke und schlug mit einem Hammer auf etwas ein, was sich darin befand. Im nächsten Moment – es war sehr dunkel, müssen Sie wissen – sah ich diesen Mann selbst die Treppe hinunterspringen und mit einem großen dunklen Paket über der Schulter wieder heraufkommen. Das Paket war natürlich Mr. Hercól, aber noch ahnte ich nichts Böses. Der Mann verschwand kurz hinter dem Barkassenkran, dann hörte ich ihn aufschreien. Ich rannte nach vorne und sah gerade noch, wie er stolperte und seine Last – jetzt deutlich als Mensch erkennbar! – halb über die Reling fallen ließ.«
    »Hatte er eine hohe oder eine tiefe Stimme?«, fragte Tascha.
    »Weder noch«, sagte Ket. »Aber ich hatte kaum Zeit, darauf zu achten, denn der Schwachkopf wälzte Ihren Freund über das Geländer. Hercól kam nach dem Schlag mit dem Hammer allmählich wieder zu sich, aber nicht schnell genug – und es war ein reiner Glücksfall, dass er sich am Wantenspanner verfing. Der Mann zog sein Messer, beugte sich vor und stach wie besessen auf Ihren Freund ein. Und dann versetzte ihm Mr. Hercól diesen … unglaublichen Tritt.«
    »Wohin hat er getreten

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