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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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flankte in die Lade.
    Dri bückte sich und rief ihren Neffen. Er kletterte heraus, mit Bleistiftstaub und Schmutz verschmiert, und ließ sich ohne ein Wort hinter seinen Vater in die untere Schublade fallen.
    Schwache Arbeitsgeräusche drangen an ihr Ohr. Sie bauten den Hebelmechanismus zusammen, mit dem sie die Stangen des Käfigs auseinanderbiegen wollten. Hoffentlich hatte Feltrup die Wahrheit gesagt und es handelte sich nur um einen gewöhnlichen Vogelkäfig. Gehärteten Stahl konnten sie nicht biegen.
    Ein Schlag. Fentrelu hatte vom Balken über ihr das Seil herabgeworfen. Dri fing das Ende auf und knüpfte rasch zwei Fußschlaufen. Als sie wieder nach unten schaute, überkam sie eine Welle der Erleichterung. Talag und Taliktrum waren dabei, einem dritten Mann aus der Lade zu helfen.
    Er war in schlechter Verfassung – krank und schmutzig –, aber noch hatte er nicht alle Kraft verloren. Er konnte zwar nicht mehr mit einem Satz auf die Tischplatte springen, kletterte aber recht geschickt über den Stuhl hinauf.
    Sie ließ nicht zu, dass er sich verneigte. »Du erweist uns damit, dass du noch am Leben bist, eine große Ehre, Bruder. Ich bin Diadrelu von Schloss Ixphir – bitte nenne mich Dri.«
    »Ehemals von Schloss Ixphir«, verbesserte Taliktrum. »Keiner von uns kehrt mehr dorthin zurück.«
    Der Gefangene faltete die Hände und berührte damit seine Stirn – eine altertümliche Geste des Dankes, die Dri seit den Zeiten ihrer Großmutter nicht mehr gesehen hatte. »Ich bin Steldak, Lady Dri. Meine Heimat ist Étrej im Trutzbund von Chereste, aber ich habe seit dreißig Jahren keinen Fuß mehr in dieses Land gesetzt.«
    »Den Trutzbund gibt es nicht mehr«, sagte Talag. »Arqual hat ihn geschluckt, auch wenn einige von den Riesen den Namen noch verwenden. Aber ich habe noch nie gehört, dass es dort Ixchel gäbe.«
    »Es gibt uns aber, edler Lord. Meine Familie hatte ein großes Haus in der Etrela-Schlucht, bevor die Riesen den Fluss aufstauten und uns davonschwemmten. Viele kamen ums Leben; die anderen flüchteten zu beiden Seiten über die Wände aus der Schlucht. Wir an der Ostseite schlugen uns zum Meer durch. Was aus der Westgruppe wurde, weiß ich nicht. Meine Frau und meine Kinder waren bei ihr.«
    Er sprach ohne Pathos, aber Dri sah ihm an, dass die Wunde selbst nach drei Jahrzehnten noch schmerzte. Hatte er auch leichtes Fieber? Sein Blick wanderte so ziellos umher.
    »Schluss mit dem Gerede«, sagte Talag. »Steck die Füße in die Schlaufen, Bruder. Fentrelu zieht dich nach oben, da bist du sicher, bis wir unsere Arbeit getan haben.«
    »Edler Lord!«, rief Steldak plötzlich. »Rose wird außer sich sein vor Wut, wenn er feststellt, dass ihr mich befreit habt. Sie hätten bis zum nächsten Hafen warten sollen, um dann landeinwärts zu fliehen.«
    »Mein Clan läuft nicht davon!«, rief Talag erregt. »Hinauf mit dir.«
    Er zog kräftig am Seil. Steldak schwebte, immer noch mit diesem seltsamen Gesichtsausdruck, nach oben. Die anderen machten sich ans Werk. Vater und Sohn zogen den Käfig nach vorne und verstreuten den Schmutz daraus in der ganzen Schublade, um einen Kampf vorzutäuschen. Dri nützte die Länge der Schreibtischplatte für den Anlauf, glitt dann auf Schwalbenflügeln über den Boden und landete im Sandnapf. Dort begann sie zu graben.
    Die Ratte lag wie tot in etwa acht Zoll Tiefe. Es war Schwerarbeit, ihren Körper an die Oberfläche zu zerren und dabei ständig die Ohren zu spitzen, um nicht womöglich Ensyls Warnruf zu überhören. Endlich lag das Tier frei, sie schob es über den Rand, hielt es am Schwanz fest, bis seine Schnurrhaare den Boden berührten, und ließ es dann fallen.
    Als sie die Ratte bis auf wenige Fuß vor die Kabinentür gezogen hatte, betrachtete sie sie mit dankbarem Blick. Es war keine besondere Ratte – nur ein beliebiges Exemplar, das sie zu diesem Zweck im Nachtdorf überfallen, mit Blanë betäubt und zu dem Schrank getragen hatten, wo Oggosks Sandnapf zwischen den Mahlzeiten aufbewahrt wurde. Dort hatten die fünf Ixchel mit ihrem Opfer zehn Stunden lang auf der Lauer gelegen. Nun würde es ihnen einen Dienst erweisen und dafür mit dem Leben bezahlen.
    Dri eilte auf den Schreibtisch zurück. Blanë bedeutete so viel wie Narrentod. Das Gift war höllisch schwer herzustellen – Goldzyanid, Wespenblut und Oktopustinte mussten vierzig Jahre lang in Bleiflaschen unter der Erde kühl gelagert werden –, und sie hatten keinen einzigen Tropfen zu viel

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