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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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die Beratung zu Ende ging. Dri schickte alle zum Schlafen auf die Bretter, und sie gingen widerwillig, aber ohne Murren. Bei der Versammlung eines Ixchel-Clans kann jeder nach Belieben seine Meinung sagen, aber wenn die Sitzung beendet ist, muss dem Anführer gehorcht werden.
    Sie war erschöpft: Nach den Verrenkungen im Rattentrichter brannten ihr die Rippen wie Feuer. Besonders absurd war, dass die verdammten Dinger ihren Zweck nicht einmal erfüllten: Auf dem Schiff wimmelte es von Ratten. Sie huschten die Fahrgastbrücken hinauf, versteckten sich in den Strohballen, die für das Vieh an Bord getragen wurden, oder sprangen einfach wie die Ixchel an den Trichtern vorbei. Und wie sie sich vermehrten! Ein Schiff konnte mit ein paar Dutzend Tieren in See stechen und wenige Monate später mit Tausenden von halb verhungerten Nagern im Frachtraum wieder Land erreichen.
    Dri lag auf ihrem Brett und hörte sie im Bugfrachtraum umherhuschen und quieken und ihre Giergesänge grölen. Ihr Volk würde sich auch vor den Ratten schützen müssen. Man konnte ihnen nicht trauen. Immer versprachen sie Frieden, und manchmal gaben sie sich sogar alle Mühe und hielten sich ein oder zwei Wochen daran. Doch wenn das Futter knapp wurde, trat dieses gewisse Funkeln in ihre Augen. Dann scharten sie sich um die Ixchel-Bunker, blieben einem Kundschaftertrupp beängstigend dicht auf den Fersen oder legten sich auf die Lauer …
    Aber Menschen sind keine Ratten, Taliktrum, dachte sie so flehentlich, wie sie sich niemals zu sprechen gestattet hätte, und glaubte fast zu hören, wie er lachend erwiderte: Ganz recht, Tante. Sie sind schlimmer.
     
    *     *     *
     
    »… stillhalten, Ormalier! Wach auf, aber halt ganz still. Du kannst mich doch hören? Wach auf; und wenn dir dein Leben lieb ist, dann halt still.«
    Pazel schlug die Augen auf. Es war dunkel. Er lag in seiner Hängematte und baumelte mit fünfzig anderen Teerjungen im stickigen Zwischendeck wie ein Schinken in der Räucherkammer. Reyast schlief zwei Fuß unter ihm, Neeps zwei Fuß darüber. Schnarchende, keuchende Atemzüge erfüllten das lichtlose Deck.
    Aber die Stimme war kein Traum.
    Sie kam von irgendwo hinter seinem Kopf. Es war eine Frauenstimme, aber sie klang ebenso dünn und unheimlich wie die Stimmen aus der Luke. Die Kriechlinge. Sie hatten ihn schon gefunden. Selbst wenn Pazel sich hätte widersetzen wollen, er war vor Angst wie gelähmt.
    »Gut«, sagte die Stimme. »Jetzt hör mir genau zu, mein Junge. Mein Schwert sitzt an deiner Kehle. Wenn es sein muss, schneide ich dir die große Schlagader durch und drücke dir dein eigenes Messer in die Hand, dann bestattet dich die Besatzung morgen früh als Selbstmörder auf See, ohne das Totengebet für dich zu sprechen. Dein Leben hängt an einem Faden. Diesen Faden können wir auf diesem Schiff kappen, wann und wo immer wir wollen. Und wenn du uns auch nur den kleinsten Anlass gibst, tun wir es jetzt sofort.«
    Dann spürte Pazel, wie eine Hand, kleiner als eine Eichhörnchenpfote, sich in sein vom Schlaf zerwühltes Haar krallte.
    »Nicke mit dem Kopf, wenn du mich verstehst«, sagte die Frau.
    Pazel zitterte vor Angst, aber er nickte. Die Seile der Hängematte knarrten, er hielt erschrocken den Atem an. Sie waren überall. Zwanzig oder mehr Kriechlinge, lauernd wie Katzen, standen auf seinen Armen und Beinen und auf seinem Bauch. In dem trüben Lichtschein, der durch die Luken drang, sah er ihre geschmeidigen Bewegungen. Ihre Gliedmaßen strotzten vor Kraft. In den Händen hielten sie Schwerter, Dolche oder Speere. Die Spitze eines unsichtbaren Messers berührte ihn dicht unter dem Ohr – fast ungeduldig, wie es ihm vorkam.
    Ein winziger nackter Fuß wurde ihm auf die Stirn gesetzt, ein zweiter auf die Wange, und plötzlich stand eine acht Zoll große Frau mitten auf seiner Brust und schaute ihm ins Gesicht.
    Er konnte sie kaum erkennen, aber er begriff, dass es ihre Königin war. Die feste, ruhige Haltung, in der sie da mit leicht gespreizten Beinen über seinem pochenden Herzen stand, verriet eine natürliche Würde.
    »Du wirst nicht lügen«, erklärte sie und steckte ihr winziges Schwert in die Scheide. »Wir Ixchel wittern die Veränderung, die über einen Riesen kommt, wenn er lügt. Ich habe nicht den Wunsch, dich zu töten – ganz im Gegenteil. Aber ich gehe einen Weg, der kein Zurück kennt und keinen Fehler verzeiht. Deshalb muss ich dich töten, wenn du lügst. Und nun sage mir: Hast du mit

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