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Winesburg, Ohio (German Edition)

Winesburg, Ohio (German Edition)

Titel: Winesburg, Ohio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherwood Anderson
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zu hören und das Entsetzen in den Augen von Buchhaltern zu sehen, die aus Sandusky gekommen waren, um in dem Badeort den Abend mit ihrer Liebsten zu verbringen.
    Aus der Affäre zwischen Ed Handby und Belle Carpenter wurde, oberflächlich betrachtet, nichts. Er hatte es lediglich geschafft, einen Abend in ihrer Gesellschaft zu verbringen. An jenem Abend mietete er in Wesley Moyers Mietstall ein Pferd mit Buggy und fuhr mit ihr aus. Er gelangte zur Überzeugung, dass sie die Frau war, nach der seine Natur verlangte und die er haben müsse, und so erzählte er ihr von seinem Begehren. Der Barmann war bereit zur Heirat und wollte versuchen, für den Unterhalt seiner Frau Geld zu verdienen, doch er war ein so schlichtes Gemüt, dass es ihm schwerfiel, ihr seine Absichten zu erklären. Sein Leib schmerzte von körperlichem Verlangen, und mit seinem Körper drückte er sich auch aus. Er nahm die Hutmacherin in die Arme, hielt sie, obwohl sie sich wehrte, fest und küsste sie, bis sie sich ergab. Dann fuhr er sie zurück in die Stadt und ließ sie vom Buggy steigen. «Wenn ich dich noch einmal zu fassen kriege, lasse ich dich nicht wieder los. Mit mir spielst du nicht», verkündete er und schickte sich an wegzufahren. Dann sprang er aber selbst noch vom Buggy und packte sie mit seinen kräftigen Händen an den Schultern. «Das nächste Mal behalte ich dich endgültig», sagte er. «Du kannst dich auch gleich dazu entschließen. Es geht um dich und mich, und es dauert nicht mehr lange, dann gehörst du mir.»
    Eines Nachts im Januar, es war Neumond, ging George Willard, der für Ed Handby das einzige Hindernis zwischen sich und Belle Carpenter darstellte, spazieren. Am frühen Abend war George zunächst mit Seth Richmond und Art Wilson, dem Sohn des Stadtmetzgers,
in Ransom Surbecks Billardsalon gegangen. Seth Richmond stand mit dem Rücken zur Wand und schwieg, George Willard dagegen redete. Der Billardsalon war voll mit Winesburger Jungen, und die redeten über Frauen. Auch der junge Reporter hielt mit. Er sagte, Frauen sollten auf sich selbst aufpassen und dass der Bursche, der mit einem Mädchen ausgehe, nicht verantwortlich sei für das, was passiert. Beim Reden blickte er sich Aufmerksamkeit heischend um. Er führte fünf Minuten lang das Wort, dann sprach Art Wilson. Art lernte in Cal Prouses Laden das Barbierhandwerk und betrachtete sich schon als Autorität in Dingen wie Baseball, Pferderennen, Trinken und dem Umgang mit Frauen. Er erzählte von einer Nacht, als er mit zwei Männern aus Winesburg ein Bordell in der Bezirkshauptstadt besuchte. Der Metzgersohn hielt eine Zigarre im Mundwinkel und spuckte beim Reden auf den Fußboden. «Die Frauen dort konnten mich nicht in Verlegenheit bringen, obwohl sie es nach Kräften versuchten», prahlte er. «Eines der Mädchen in dem Haus wollte frech werden, aber ich habe sie übertölpelt. Kaum begann sie zu reden, hab ich mich auf ihren Schoß gesetzt. Alles im Raum hat gelacht, als ich sie küsste. Die habe ich gelehrt, mich in Ruhe zu lassen.»
    George Willard trat aus dem Billardsalon auf die Main Street. Tagelang war es schon bitterkalt gewesen, und ein steifer Wind wehte vom Eriesee, achtzehn Meilen nördlich, über die Stadt, doch in jener Nacht hatte sich der Wind gelegt, und der Neumond ließ sie ungewöhnlich reizvoll erscheinen. Ohne zu überlegen,
wohin er ging oder was er tun wollte, bog George von der Main Street ab und lief durch matt erhellte Straßen mit Holzhäusern.
    Im Freien, unter dem schwarzen Himmel voller Sterne, vergaß er seine Gefährten im Billardsalon. Da es dunkel war und er allein, begann er laut zu reden. In spielerischer Laune torkelte er, einen Betrunkenen nachahmend, die Straße entlang und stellte sich dann vor, er sei ein Soldat, angetan mit schimmernden Stiefeln, die ihm bis zum Knie reichten, und an der Seite einen Degen, der beim Gehen rasselte. Als Soldat malte er sich aus, er sei ein Inspekteur, der eine lange Reihe Männer in Grundstellung abschritt. Er prüfte die Ausrüstung der Männer. Vor einem Baum blieb er stehen und schimpfte. «Ihr Tornister ist nicht in Ordnung», sagte er in scharfem Ton. «Wie oft soll ich das noch ansprechen? Hier muss alles in Ordnung sein. Wir haben eine schwierige Aufgabe vor uns, und ohne Ordnung kann man keine schwierige Aufgabe erledigen.»
    Von den eigenen Worten hypnotisiert, stolperte der junge Mann den Brettergehsteig entlang und redete immer weiter. «Es existiert ein Gesetz für Armeen

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