Winesburg, Ohio (German Edition)
es gebe dort alles und nichts. In dem Schaufenster zur Maumee Street lag ein Kohlebrocken, groß wie ein Apfelfass, der anzeigen sollte, dass Bestellungen für Kohle angenommen wurden, und neben dem schwarzen Kohleklotz lagen drei Honigwaben, die in ihrem Holzrahmen braun und schmutzig geworden waren.
Der Honig lag schon ein halbes Jahr im Schaufenster. Er war ebenso zu verkaufen wie die Kleiderbügel, die Spezialknöpfe für Hosenträger, Kanister mit Dachfarbe, Flaschen mit einem Rheumamittel und ein Kaffeeersatz, der dem Honig in seiner geduldigen Bereitschaft, der Öffentlichkeit zu dienen, Gesellschaft leistete.
Ebenezer Cowley, der Mann, der im Geschäft stand und dem eifrigen Redeschwall aus dem Mund des Handelsvertreters zuhörte, war groß und schmal und wirkte ungewaschen. An seinem dürren Hals saß ein großer Grützbeutel 16 , der teils von einem grauen Bart bedeckt war. Er trug einen langen Gehrock. Dieser war erworben worden, um als Hochzeitsgewand zu dienen. Bevor Ebenezer Kaufmann wurde, war er Farmer, und
er trug den Gehrock nach seiner Heirat sonntags in der Kirche und samstagnachmittags, wenn er zum Handeln in die Stadt kam. Nachdem er die Farm veräußert hatte, um Kaufmann zu werden, trug er den Gehrock ständig. Er war braun vom Alter und mit Fettflecken übersät, doch Ebenezer fühlte sich in ihm stets gut gekleidet und bereit für den Tag in der Stadt.
Als Kaufmann hatte Ebenezer keinen guten Stand im Leben, und auch davor als Farmer nicht. Gleichwohl existierte er. Seine Familie, die aus einer Tochter namens Mabel und dem Sohn bestand, lebte mit ihm in Räumen über dem Geschäft, und das Leben kostete sie nicht viel Geld. Seine Schwierigkeiten waren nicht finanzieller Art. Sein Unglück als Kaufmann lag darin, dass er, wenn ein Handelsvertreter mit zu verkaufenden Waren zur Ladentür hereinkam, Angst hatte. Er stand dann hinterm Ladentisch und schüttelte den Kopf. Er hatte erstens Angst, dass er sich störrisch weigern würde zu kaufen und damit die Gelegenheit verlöre, seinerseits zu verkaufen, und zweitens, dass er nicht störrisch genug wäre und in einem Moment der Schwäche etwas kaufen würde, was sich nicht verkaufen ließe.
In dem Geschäft war an jenem Morgen, als Elmer Cowley George Willard an der Hintertür der Druckerei des «Eagle» stehen und offenbar horchen sah, eine Situation entstanden, wie sie stets den Zorn des Sohnes erregte. Der Handelsvertreter redete, Ebenezer hörte zu, und seine ganze Haltung drückte Unsicherheit aus. «Sie sehen ja, wie flott das geht», sagte der Handelsvertreter, der einen kleinen, flachen metallenen Ersatz
für Kragenknöpfe zum Verkauf anbot. Mit einer Hand löste er rasch den Kragen von seinem Hemd und befestigte ihn sogleich wieder. Er gebrauchte einen schmeichlerischen, schönredenden Ton. «Ich sage Ihnen mal etwas, die Männer haben dieses ganze Gefummel an den Kragenknöpfen satt, und Sie sind der Mann, der mit dem Wandel, der nun einsetzt, Geld machen kann. Ich biete Ihnen die alleinige Vertretung in dieser Stadt an. Nehmen Sie zwanzig Dutzend dieser Verschlüsse, und ich suche kein weiteres Geschäft mehr auf. Ich überlasse das Feld Ihnen.»
Der Handelsvertreter beugte sich über den Ladentisch und tippte mit dem Finger auf Ebenezers Brust. «Das ist eine Gelegenheit, die müssen Sie ergreifen», drängte er. «Ein Freund hat mir von Ihnen erzählt. ‹Geh zu diesem Cowley›, hat er gesagt. ‹Der ist rührig. ›»
Der Handelsvertreter verstummte und wartete. Er zog ein Buch aus der Tasche und begann, den Auftrag auszuschreiben. Noch immer den Schuh in der Hand, schritt Elmer Cowley durch das Geschäft, vorbei an den beiden ins Gespräch vertieften Männern, zu einer Glasvitrine bei der Ladentür. Er nahm einen billigen Revolver heraus und fuchtelte damit herum. «Raus mit Ihnen!», brüllte er. «Wir wollen hier keine Kragenverschlüsse.» Ihm kam eine Idee. «Ich will Sie doch gar nicht bedrohen», setzte er hinzu. «Ich sage ja nicht, dass ich schieße. Vielleicht habe ich diesen Revolver auch nur herausgeholt, um ihn mir anzusehen. Aber Sie gehen jetzt mal lieber. Jawohl, das sage ich. Sie packen jetzt Ihre Sachen zusammen und gehen.»
Die Stimme des jungen Ladenbesitzers steigerte sich zu einem Kreischen, er trat hinter den Ladentisch und schritt auf die beiden Männer zu. «Wir haben es satt, die Deppen zu sein!», schrie er. «Wir kaufen erst wieder, wenn wir auch etwas verkaufen. Wir sind nicht weiter wunderlich
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