Winslow, Don
Hipódromo-Viertel hoch über der Innenstadt von Tijuana zusammen in
den Kindergarten und in die Vorschule gegangen. Und bevor sie in die fünfte
oder sechste Klasse kamen, zogen ihre Mütter mit ihnen nach San Diego, damit
sie dort die Schule fortsetzten, Englisch lernten, bikulturell aufwuchsen und
die Kontakte knüpften, die für ihre spätere Karriere so wichtig werden würden.
Ihre Eltern wussten genau: Tijuana und San Diego sind zwar durch eine Grenze
getrennt, wirtschaftlich aber eng verflochten.
Fabián, Alejandro und ihre
Freunde besuchten die katholische, nur für Knaben bestimmte Augustine High
School in San Diego, ihre Schwestern gingen zu Our Lady of Peace. (Nach einem
kurzen Blick auf die öffentlichen Schulen von San Diego beschlossen die
Eltern, dass ihre Kinder so bikulturell auch wieder nicht werden sollten.) Also verbrachten sie die
Wochen bei den Patres und die Wochenenden zu
Hause in Tijuana, feierten ihre Partys im Country Club oder fuhren nach Rosarita
und Ensenada an den Strand. Oder blieben manchmal auch in San Diego und
machten das, was auch die amerikanischen Teenager am Wochenende machen -
Klamotten kaufen, ins Kino gehen, an den Strand fahren, Partys bei den Freunden
feiern, deren Eltern gerade verreist sind (ein Vorzug reicher Eltern ist es,
dass sie das Geld haben, öfter mal zu verreisen), und natürlich saufen, vögeln,
kiffen.
Diese Jungs hatten Geld in der Tasche und Markenklamotten auf dem Leib -
schon in den unteren Klassen. Fabián,
Alejandro und ihre Gang waren immer nach der
neuesten Mode gekleidet, haben in den teuersten Shops eingekauft. Auch hier in
Tijuana, wo sie jetzt das College besuchen, haben sie das Taschengeld, sich mit
den schärfsten Klamotten einzudecken. Wenn sie nicht gerade in der Disco
rumhängen oder hier unter el arbol, sind sie meistens shoppen. Aufs Shoppen verwenden sie bedeutend mehr Zeit
als aufs Pauken, so viel ist sicher.
Denn dumm sind sie beide nicht.
Fabián ist sogar
ausgesprochen clever. Er könnte die Betriebswirtschaftsvorlesung im Schlaf
absolvieren - was sie die meiste Zeit auch tun. Fabián rechnet den
Zinseszins im Kopf aus, bevor die anderen auch nur die Zahlen eingetippt haben.
Er könnte ein guter Student sein.
Aber wozu? Es gehört nicht zum Konzept.
Das Konzept geht so: Du geht in den Staaten zur Schule, kommst zurück,
holst dir einen ehrenhaften Abgang vom College, dein Papa steckt dich ins
Geschäft, und mit den Connections, die du dir diesseits und jenseits der
Grenze aufgebaut hast, machst du das große Geld.
Ein Konzept fürs Leben.
Aber dass die Barrera-Brüder in die Stadt ziehen würden, war in diesem
Konzept nicht vorgesehen. Nirgends stand geschrieben, dass Adán und Raúl Barrera ins Hipódromo-Viertel ziehen und ein
großes weißes Landhaus mieten würden.
Fabián hat Raúl in der Disco
kennengelernt. Er sitzt am Tisch mit ein paar
anderen cuates, als dieser irre Typ reinkommt - superlanger Nerzmantel, hellgrüne
Cowboystiefel, schwarzer Cowboyhut.
Fabián stößt Alejandro mit dem
Ellbogen: »Guck dir das mal an.«
Sie denken, das ist ein Witz, nur dass der Witz zu ihnen rüberguckt, nach
dem Kellner brüllt und dreißig Flaschen Champagner bestellt.
Dreißig Flaschen Champagner.
Und nicht die billige Scheiße, sondern
Dom.
Bezahlt in Cash.
Dann fragt er in die Runde: »Wer feiert
mit mir?« Alle, wie sich rausstellt. Diese Party geht auf Raúl Barreras
Rechnung. Es ist die Party. Und
Punkt.
Dann eines Tages ist er nicht einfach nur da, sondern er lässt die Puppen
tanzen.
Sie sitzen also eines Tages um ihren Baum, rauchen Gras, üben ein bisschen
Karate, als Raúl plötzlich Felizardo erwähnt.
»Der Boxer?«, fragt Fabián. Cesar Felizardo - so etwa der größte Held Mexikos.
»Nein, der Bauer«, antwortet Raúl. Er demonstriert einen Spinning Back-Kick und sagt
zu Fabián: »Klar, der Boxer. Tritt nächste Woche gegen Pérez an. Hier in der
Stadt.«
»Ist doch längst ausverkauft«, sagt Fabián.
»Für dich vielleicht«, sagt Raúl.
»Für dich etwa nicht?«
»Er kommt aus meiner Stadt«, sagt Raúl. »Culiacan. Ich hab ihn gemanagt - ist ein alter
Kumpel von mir. Wenn ihr wollt - ich besorge euch Karten.«
Klar wollen sie, und sie kriegen die Karten. Plätze direkt am Ring. Der
Kampf dauert nicht lange, Felizardo schlägt Pérez k. o. in der
dritten Runde, aber trotzdem - eine heiße Sache. Noch heißer wird es, als Raúl sie hinterher
mitnimmt in die Garderobe. Und dann stehen sie
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