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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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sich beide Seiten zähneknirschend
auf eine gemeinsame Linie.
    Es war aber immer das Ziel des Vatikans geblieben, seinen regulären
Status in Mexiko wiederherzustellen, und als Kirchenpolitiker des
erzkonservativen Flügels predigt Antonucci den mexikanischen Bischöfen
unablässig, »dass wir die gläubigen Mexikaner nicht an den gottlosen
Kommunismus verlieren dürfen«.
    Da ist es nur natürlich, dass Antonucci im Erdbeben eine willkommene
Gelegenheit sieht, denkt Parada. Dass er den Tod Zehntausender Gläubiger als
gottgegebenes Mittel versteht, die mexikanische Regierung in die Knie zu
zwingen.
    Die Not zwingt die Regierung, eine Menge Kröten zu schlucken. Sie wird
sich dazu herablassen müssen, Hilfe von den Amerikanern anzunehmen, und sie
wird auch vor der Kirche zu Kreuze kriechen - das Geld liegt schon bereit.
    Und wir werden es ihnen geben.
    Geld, das wir von den Gläubigen nehmen, den reichen und den armen, seit
Jahrhunderten. Unversteuerte Kollektegroschen, gewinnbringend investiert. Doch
das Land, das am Boden liegt, denkt Parada, muss einen Preis dafür bezahlen, wenn es das Geld
zurückhaben will, das ihm zuvor genommen wurde.
    Christus würde weinen.
    Geldwechsler im Tempel?
    Wir sind die Geldwechsler im Tempel.
    »Sie brauchen Geld«, sagt Antonucci zum Innenminister. »Sie brauchen es
schnell, und es wird Ihnen schwerfallen, Kredite zu bekommen, da es um die
Kreditwürdigkeit Ihrer Regierung nicht zum Besten steht.«
    »Wir geben Staatsanleihen aus.«
    »Wer soll die kaufen?«, fragt Antonucci mit einem selbstgefälligen
Lächeln. »Mit Ihrer Verzinsung können Sie niemanden locken. Schon die
bestehenden Schulden können Sie nicht bedienen, geschweige denn zurückzahlen.
Wir müssen es wissen, wir besitzen stapelweise mexikanische Papiere.«
    »Die Gebäude sind versichert«, sagt der Minister.
    »Unterversichert«, entgegnet Antonucci. »Ihr eigenes Ministerium duldet
den Missstand, dass sämtliche Hotels unterversichert sind, weil es glaubt,
damit den Tourismus zu fördern. Das Gleiche bei Warenhäusern und Mietshäusern.
Sogar die Regierungsgebäude, die zerstört wurden, sind stark unterversichert.
Ein skandalöser Zustand, könnte man sagen. Während also der Vatikan durch Ihre
Regierung offiziell geächtet wird, haben die Finanzinstitute eine etwas bessere
Meinung von uns. Im Bankenjargon nennt man das, glaube ich, AAA.«
    Machiavelli kann nur ein Italiener gewesen sein, denkt Parada.
    Wenn diese Erpressungsnummer nicht so niederträchtig und zynisch wäre,
müsste man sie bewundern.
    Aber für solche Gedanken ist jetzt nicht die Zeit, daher sagt Parada: »Lassen wir den
alten Mist, kommen wir zur Sache. Wir sind gern bereit, jede erdenkliche Hilfe
zu leisten, finanzielle und materielle, und das auf informeller Basis. Im
Gegenzug erlauben Sie unseren Geistlichen, das Kreuz zu tragen und alle
Hilfsgüter deutlich als Gaben der Heiligen Römisch-Katholischen Kirche zu
kennzeichnen. Sie übernehmen die Garantie, dass die nächste gewählte Regierung
in den ersten dreißig Tagen ihres Amtsantritts ernst gemeinte Verhandlungen
zur Wiederherstellung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat aufnehmen
wird.«
    »Das ist 1988«, protestiert
Antonucci. »Bis dahin sind es fast noch drei Jahre!«
    »Rechnen kann ich auch«, sagt Parada und wendet sich wieder an den Minister.
    »Wäre das ein Deal?« Ja, das wäre einer.
    »Was erlauben Sie sich?«, ruft Antonucci, nachdem der Minister gegangen
ist. »Sie können doch hier nicht einfach die Verhandlungen übernehmen. Ich
hatte ihn schon an der Leine.«
    »Ist das Ihre Aufgabe?«, fragt Parada. »Leute, die in Not sind, an die Leine zu nehmen?«
    »Sie haben nicht die Vollmachten, zu -«
    »Krieg ich jetzt was mit der Peitsche?«, fragt Parada. »Dann beeilen
Sie sich bitte, ich habe zu tun.«
    »Sie scheinen zu ignorieren, dass ich Ihr direkter Vorgesetzter bin.«
    »Was man nicht anerkennt, kann man nicht ignorieren«, sagt Parada. »Sie sind nicht
mein Vorgesetzter. Sie sind ein Politiker, den Rom hierhergeschickt hat, um
Politik zu machen.«
    »Das Beben war ein Fingerzeit Gottes -«, sagt Antonucci.
    »Ich glaube, ich höre nicht recht!«
    »- der uns die Gelegenheit bietet, die Seelen von Millionen Mexikanern zu
retten.«
    »Retten Sie nicht die Seelen, retten Sie die Menschen !«, brüllt ihn Parada an.
    »Das ist schiere Ketzerei!«
    »Sei's drum!«
    Es sind nicht nur die Erdbebenopfer, denkt Parada. Es sind die
Millionen, die in Armut leben. Die

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